Noch 4 Wochen bis zur Kinderwoche, ich schaue gespannt in mein Fächli im Sekretariat: Sind wohl noch Anmeldungen für die Kinderwoche dazugekommen? Nachdem letztes Jahr die Plätze in nur wenigen Tagen voll waren, tröpfelten die Anmeldungen dieses Jahr eher einzeln herein. Dafür habe ich fast jeden Namen auf den Anmeldungen schon mit einem Gesicht verbinden können. Aber auch wenn es gut klingen würde: „die Kinderwoche ist ausgebucht!“ Viele der Erlebnisse und Geschichten hätte ich wohl anders erzählen müssen. Für den Jungen, der jetzt von der Integrationsklasse in die normale Schule wechselt, hätten wir keinen Platz und keine Kapazität gehabt. Ja, das Schweizerdeutsch war noch schwierig, aber er hat dafür mit Abstand die grösste Begeisterung und Ausdauer beim Basteln gezeigt! Und jeden Morgen, als er wieder gekommen ist, ein Erfolgserlebnis für ihn und seine Eltern. Im gesamten waren 24 verschiedene Kinder im Futura und draussen mit uns unterwegs, im Durchschnitt 16 pro Tag. Eine nächste Challenge wartete schon, wie bringe ich das Motto: Alle Farben vom Rägeboge – mit den biblischen Geschichten zusammen? (Denn die Noah Geschichte kann ich nicht schon wieder erzählen, das wäre das dritte Mal in Folge in einer Kinderwoche …) Die zündende Idee kam mir beim Mittagessen mit meiner besten Freundin – mit biblischen Geschichten kennt sie sich nämlich bestens aus. Die Geschichten von Jesus sind doch sicher farbig genug, oder? Vom goldenen Stern, der seine Geburt ankündigte, über das blaue Wasser aus dem die Jünger ihre Fische gezogen haben, und bis zum Grün des Baumes auf dem Zachäus gesessen hat. Und all die Farben, die Bartimäus der Blinde wieder gesehen hat, nachdem er geheilt wurde. Lazarus in seinen weissen Leichenbinden und der dunkle Rotwein am grossen letzten Fest von Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern.
Foto: Lea Zeiske
Der Montag startete gerade mit einem Highlight: ein spontanes Blitz-Weihnachtsmusical wurde aufgeführt. (Nachdem wir uns vom Schock erholt hatten, dass der Stärnschnuppemusical Kellerraum voller Requisiten ein paar Türen weiter gewandert war 😉 Die Suche nach dem Goldschatz der drei Weisen/Könige hat so Spass gemacht, dass unsere jungen Leiterinnen einfach selbst noch eine Schatzsuche für den Waldnachmittag am Mittwoch geplant haben. Diese Art von Spontanität und Flexibilität finde ich an der Kinderwoche echt super – man hat Zeit! Zeit mit den einzelnen Kindern; Zeit, um Ideen aufzunehmen und an einem anderen Tag zu machen. Aber halt auch viel Zeit, in der die teilnehmenden Kinder einfach frei im Futura spielen, töggelen, basteln, (Grusel-)Geschichten erzählen usw. Aber im Gespräch mit einzelnen Kindern neben dem grossen Trubel hören wir auch immer wieder, was sie beschäftigt und mit welchen Herausforderungen sie schon konfrontiert sind. Mit einer Alterspanne von Kindergarten bis 5. Klasse bleibt es immer eine Herausforderung das Programm für alle spannend zu halten. Aber diese Durchmischung ist in so vielen Dingen auch eine Bereicherung! Wie sie einander beibringen wie man „Fingerlismet“ und sie einander mit Begeisterung immer wieder anstecken, sich gegeinander messen oder bei kleinen und grösseren Problemen einander helfen. Ausflüge in die Umgebung mussten natürlich auch sein; von der Schifffahrt ins Neuhaus über den Spielplatz beim Lombach. (Wo man erstaunlich gut 15,14 Versteckis spielen kann.) Den schon erwähnten Nachmittag im Wald, der mit Schatzsuche und bräteln viel, viel zu schnell vorbei gegangen ist. Und für ein nächstes Jahr weiss ich, dass es mindestens 2 grosse Packungen Marshmallows braucht 🙂 Auch dieser Nachmittag ist wirklich nur möglich gewesen dank der Mithilfe vom ganzen Team der Kinderwoche: im ganzen 4 Erwachsenen, die über die verschiedenen Tage verteilt mitgeholfen haben, und unsere 2 jugendlichen Leiterinnen, die voller Energie die ganze Woche unverzichtbar waren! Einen Nachmittag haben wir es uns mit Popcorn im FuturaKino gemütlich gemacht, und am Freitag, dem heissesten Tag der Woche, haben wir uns in den Beatushöhlen abgekühlt und nach dem Drachen Ausschau gehalten. Ein kleines Fest bei dem noch mal die besten Lieder der Woche den Eltern vorgesungen wurden und Föteli der Woche geschaut wurden, musste natürlich auch sein. (Das Highlight davon waren wohl die Kuchen & Brownies, die wir mit den Kids am Tag zuvor gebacken und verziert haben.)
Und ganz zum Schluss sangen wir das Lied, dass uns schon die ganze Woche begleitete – als Abschluss dieser tollen Woche. Aber hoffentlich klingt es auch als Segen für das beginnende Schuljahr nach: „Ig wünsche dir: Ä Schutz vorem Sturm, Es Liecht i dr Nacht, E Mantel für e Räge, Und e Fründ wo mit dir lacht!“
Isches öich o scho so gange, dass der gwüsst heit, dir wettet öpperem öppis guets säge, öppis, wo nim Chraft git ire schwierige Situation, aber es chunnt öich nüt i Sinn?
Vor fasch eme Monet hei mer i üsere Stedtlichilche für d Ukraine bättet – sit eme Jahr isch dert Chrieg! Ir letschte Zit isch d Arbeit für üs im Kollegium und im Chirchgmeindrat viil gsi, mir si iigsprunge, hei organisiert und nöii Ufgabe übernoh. Und jitz chunnt no der Blog, wo öppis gschiids und vilech tröstlechs sött z läse si, und es chunnt mer nüt i Sinn!
Moll, öppis chunnt mer gliich i Sinn: d Fründe vom Hiob ir Bible. Die si zu ihm cho, wo alles i sim Läbe isch schief gange wo cha schief ga: är het sini Familie, sis Hus, sis Iikomme verlore. – Das chunnt mir doch irgendwie bekannt vor: wievielne Lüt ir Türkei und ds Syrie geits jitz grad so, wägem Ärdbebe. Wievielne Lüt ir Ukraine geits jitz eso? Wieviel Lüt ds Ostafrika verhungere grad jitz?
D Fründe vom Hiob ir Bible hei o nid gwüsst, was säge, und si eifach mal zu ihm ghocket, e ganzi Wuche lang, und hei nüt gseit. Si eifach da gsi. – I lade öich jitz zumene Gedankeexperimänt ii: stellet nech vor, dir sitzet ir Chilche, ganz elei, dir suechet Halt und Trost – und plötzlech gspüret der: dir sit gar nid elei. Dir sit verbunde mit Christinne und Christe uf der ganze Wält, und mit dere Chraft, dere Liebi, wo mir ihre «Gott» säge.
Die Kirchgemeinde Unterseen konnte im letzten Jahr 2022 in der Freiwilligenarbeit ein Total von 9’166 Stunden mit einer gesamtgesellschaftlichen Relevanz ausweisen. Geteilt durch 365 Tage ergibt das 25 Stunden pro Tag.
Seit dem Jahr 2019 gilt im Kanton Bern das neue Landeskirchengesetz. Die Kirchgemeinden sind verpflichtet, in einer jährlichen Statistik jene Stunden der Freiwilligen und Ehrenamtlichen nachzuführen, die nachweislich eine Bedeutung für die Gesamtgesellschaft haben. Damit sind Angebote in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur gemeint, welche das staatliche Angebot ergänzen, bereichern und unterstützen. Was nicht mitgezählt wird, sind Stunden, die im Bereich «Kultus» zum Beispiel für Gottesdienste eingesetzt werden.
Dass die Landeskirchen in der Presse regelmässig schlecht abschneiden, ist hinlänglich bekannt: schwindende Mitgliederzahlen, leere Gottesdienste, verpasste Reformen. Die Frage sei erlaubt, ob die Öffentlichkeit den gesamtgesellschaftlichen Nutzen einer Kirche auch wahrnimmt – ein Nutzen, der sich in den Freiwilligenstunden oder wie in Unterseen an vielen offenen Angeboten ablesen lässt: «Fyre mit de Chlyne», Kinderwochen, Musicaltheater, Kaffee-Pause, Stubete, Treffen der «Frauen 60+» oder des Seniorenmännerclubs. Das beliebteste Angebot, das in Unterseen von 100 Freiwilligen mitgestaltet wird, ist das jährlich stattfindende «Chilchefescht», das im Stedtli gemeinsam mit dem «Adventsmärit» durchgeführt wird. Wenn der Steuerberater im Frühling beim Ausfüllen der Steuererklärung fragt: «Brauchen Sie die Kirche noch …?», müsste die Frage ev. erweitert werden: «Kann unsere Gesellschaft auf die Kirche verzichten …?» Vielleicht ist die Kirche nicht nur ein knorriger Ast, dem wir uns mit dem Austritt entledigen. Sie könnte zum unentbehrlichen Stamm gehören, der eine Gesellschaft mitträgt, mitprägt und gestaltet.
Unzählige Blicke begegnen mir Tag für Tag: freundliche und aufmunternde, vielleicht auch abschätzige und kalte. Manchen Blicken weiche ich aus, ducke mich weg. In anderen sonne ich mich. Manchmal verfängt sich mein Blick im Gestern, und ich wollte doch eigentlich hinter mir lassen, was war. Manchmal sehe ich die Herausforderungen von morgen und habe nicht den Mut, das Neue zu wagen. Manchmal übersehe ich die, die meine Aufmerksamkeit brauchen, und wollte doch eigentlich genau hinschauen. Aber Du, Gott, siehst mir ins Herz. Du siehst mich und all die anderen. Du siehst selbst die, die vergessen sind. Dein Blick reicht hinein in den hintersten Winkel. Gott, wie gelingt es dir nur, mich auf so unvergleichliche Weise anzusehen? Dein Blick durchschaut mich und ist zugleich freundlich. Ich kann nichts verstecken und muss es auch nicht. Weil mein Leben in Deinem Blick geborgen ist. Dein Blick verändert alles. Auch mich. Ich kann loslassen, was war, und wagen, was kommt. Ich kann mich und diese Welt mit deinen Augen sehen: mit Augen einer Liebe, die größer ist als alles, was ich mir vorstelle
Hanns Dieter Hüsch (1925-2005) war deutscher Kabarettist und Schriftsteller. In seinem Gedicht «Feiertage» zeichnet er eine Familiensituation während den Weihnachtstagen, wie sie den meisten von uns vertraut ist. Alle meinen es gut und möchten im Miteinander ein schönes Fest erleben. Ich zitiere in Auszügen:
Oma ist gekommen um Mutter zu helfen Vater hat gesagt sei nicht nötig gewesen Kind steht im Weg Mutter steht im Weg Oma steht im Weg Vater steht im Weg
Alle ham geschafft mit allerletzter Kraft Und dann werden Die Pakete aufgeschnürt Mutter ist gekränkt Vater ist gekränkt Kind ist gekränkt Oma ist gekränkt Denn jeder hat dem anderen was Falsches geschenkt
Mutter ist beleidigt Vater ist beleidigt Kind ist beleidigt Oma ist beleidigt Friede auf Erden und den Menschen ein Unbehagen
Mir scheint, dass eine familiäre Entflechtung in der Vorweihnachtszeit sinnvoll wäre, damit wir die Erwartungen ans Miteinander nicht überstrapazieren. Jede und jeder könnte nach dem suchen, was ihm persönlich guttut. Mein Textvorschlag:
Kind spielt mit Lego Mutter geht ins Fitness Vater geht mit Hund Oma backt Plätzchen Vater sagt wär schön wenn Oma kommt mit Plätzchen
Ob sich diese Familie an Heiligabend gewinnen liesse, wenn sie in der Kirche zur Christnachtfeier eingeladen würde …? Weil Weihnachten doch nur dort zu finden ist, wo sie herkommt: beim Kind in der Krippe im Stall zu Bethlehem. Neuer Textvorschlag:
Zur Kirch sind sie gekommen die Interessierten und die Frommen Mutter singt Lieder Vater betet «unser Vater» Kind rühmtKrippenfiguren Oma hört Predigt
So entdeckt eine Familie das Geheimnis von Weihnachten neu. Und zum Abschluss erfolgt ein fröhlicher Ausklang:
Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen Mutter summt Lieder Vater isst Plätzchen Hund darfmitessen Kind öffnetneue Legopackung Oma denkt gernan die Feier im kommenden Jahr
Ein Kollege von mir unterschreibt seine E-Mails statt mit «freundliche Grüsse» immer mit: «Segen!»
Zuerst war ich irritiert. Ich dachte, Segen kann man doch nicht befehlen, mit Ausrufezeichen. Segen fliesst von Gott her, wir können ihn uns wünschen, weiterschenken, zusagen.
Vom 18.-20. November war Adventsmarkt in Unterseen, gemeinsam mit dem Chilchefescht. Weil es die Jubiläumsausgabe zum 50. Chilchefescht war, gab es einigen Zusatzaufwand. Schon vor dem Start des Adventsmarkts war ich müde und wusste, es geht noch drei Tage so weiter! Da kam mir dieses «Segen!» wieder in den Sinn. Und jetzt erhielt es plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Trotz Belastung und Müdigkeit war da dieses Ausrufezeichen hinter dem Segen, das mir klar machte: gerade jetzt, gerade an diesem Fest: Segen!
In den vielen guten Gesprächen und Begegnungen, in den vielen Freiwilligen, die sich voller Elan fürs Chilchefescht eingesetzt haben, in den fröhlichen Kindergesichtern, im stillen Leuchten der Kerzen am Ewigkeitssonntag, in der freudigen, lauten, gehaltvollen und nachdenklichen Musik, die wir in verschiedenen Konzerten geniessen konnten, im Duft von Brätzeli und von wunderbaren Menüs im Futura, in der Tombola mit ihrem Nervenkitzel, in all dem war dieser «Segen!» präsent. Wunderbare Gemeinschaft mit wunderbaren Menschen. Danke euch allen!
Was die weltweite Kirche von deutschen Kirchen lernen kann #evrefK22
von Andreas Anderfuhren
Statements deutscher Akteure kommen mir an der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe recht forsch und herausfordernd vor. Schon für meine schweizer Ohren – mehr noch für orthodoxe Zuhörende. Was diese deutschen Stimmen aber gemacht haben – sowohl von kirchlicher als auch von politischer Seite her: Sie fingen mit einem Schuldeingeständnis an. Was für einen Unterschied das macht! Es rückt die ganze Aussage in ein anderes Licht. Man kann etwas Hartes und Herausforderndes ganz anders sagen, wenn man damit anfängt, was man selbst falsch macht und wo man selbst umkehren muss. Zuhörende können besser daran anknüpfen.
Das ist zutiefst christlich! Wir wissen: Ein guter Weg in die Zukunft muss mit Umkehr anfangen – metanoia. Das wissen auch Orthodoxe. Umkehr spielt eigentlich in der orthodoxen Theologie eine zentrale Rolle. Manchmal scheint es, dass sie jedoch rein geistlich gefüllt wird – und weniger Niederschlag im praktischen, politischen, Leben findet. Wenn es gelingen würde, mehr am Wert von Umkehr anzuknüpfen – könnten wir ganz anders miteinander reden. Dann könnten die zukünftigen Gespräche mit und zwischen Orthodoxen ganz anders ablaufen.
Auch bei Statements von Akteuren zum Nahost-Konflikt hat mir diese Haltung gefehlt. Vielleicht wäre der recht konfrontative regionale Abend der Nahost-Delegationen des ÖRK anders – produktiver – verlaufen, wenn die Sprechenden dem Beispiel der deutschen Stimmen gefolgt wären: Anfangen mit einem Eingeständnis der eigenen Schwäche und dem Willen zur Umkehr.
Impression aus der Studienreise
Rückblick auf die erste Hälfte der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe
von Eva Steiner
Nach einer ersten Phase des Zurechtfindens und der Orientierung faszinierte mich von Beginn weg die besondere Stimmung auf dem Gelände der Vollversammlung. Sei es am Rande eines Anlasses, sei es beim Anstehen fürs Essen, sei es an einem der Esstische – überall kann ich mit Menschen aus der ganzen Welt ins Gespräch kommen. Dieser persönliche Austausch ist sehr befruchtend und geht vielfach auch ins Persönliche über.
Einen ganzen Tag an den Plenarveranstaltungen teil zu nehmen empfinde ich als anstrengend. Es gibt häufig lange Einleitungen oder Selbstdarstellungen der eigenen Kirche, die sicher teilweise sinnvoll sind, es aber erschweren, dem Vortrag bis zum Ende konzentriert zu folgen. Auf der anderen Seite kann eine einzelne kurze Rede zu einem Höhepunkt werden: So das Grusswort der Muslima Azza Karam, die über die Liebe Jesu Christi sprach, die universell sei und deshalb auch für sie gelte. Sie ermahnte uns eindrücklich, diese Liebe in Taten zu leben.
Reden, feiern, beten, singen
Gespräche sind das eine, gemeinsam zu feiern, zu beten und zu singen das andere. Die Morgenandachten berühren mich sehr. Sie finden – mit Übersetzungen in Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch – in den Sprachen der anwesenden Teilnehmenden statt und das sind Viele. Zudem kann die unterschiedliche Art, eine Andacht zu feiern erlebt werden. Und am Schönsten ist es, Lieder aus der ganzen Welt mit einer guten instrumentalen und chorischen Begleitung zu singen. Ich finde es berührend, den freudigen Ausdruck in den Gesichtern der Dirigierenden zu sehen, wenn die Versammlung ein Lied aus ihrer Heimat singt.
In den Workshops begegne ich den Problemen, mit denen die Kirchen in ihren Ländern zu kämpfen haben in persönlichen Berichten von Menschen, die sich engagieren. Es ist schwierig und belebend zugleich. Schwierig, weil mir immer wieder bewusst wird, wie wenig ich einerseits zur Verbesserung der Lage bei ihnen beitragen kann und wie gross andrerseits der Anteil der sogenannt «westlichen Welt» an ihren Schwierigkeiten ist. Belebend, weil die vielen kleinen Initiativen zur Förderung der Frauenarbeit oder zur Bekämpfung der Wasserknappheit beispielsweise mir auch Mut machen und mir zeigen: Es bringt etwas, es gibt Menschen, die mit grossem Einsatz etwas verändern.
Das Angebot an Veranstaltungen und Kultur an der Vollversammlung und an weiteren Orten in Karlsruhe ist riesig, für mich besteht die Gefahr, mich zu verzetteln. Das Wochenende bot nun Gelegenheit, die Erfahrungen zu reflektieren. Der Ausflug ins Kloster Maulbronn war eine schöne Abwechslung und bot Gelegenheit in wechselnden Gesprächen unsere Gruppe besser kennen zu lernen.
Nun freue ich mich sehr auf den zweiten Teil der Volllversammlung.
3. Tag der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe
Europa und der Ukrainekonflikt
von Bernd Berger
Der Freitag stand unter dem Thema Europa und im Zentrum war die Diskussion über den Ukrainekonflikt. Vor dem Plenum gab es ein mit standing ovations bedachtes Grusswort der Generalsekretärin von Religions for Peace Prof. Azza Karam. Sie unterstrich, dass die Liebe Christi nicht nur den Christ:innen gilt, sondern allen Menschen, auch ihr als Muslima und sie bat die Versammlung, alles dazu beizutragen, dass Krieg keine Option sein darf.
Nach der Rede von Bundespräsident Steinmeier und der harschen Verlautbarung der Delegation der Russisch-Orthodoxen Kirche, die Steinmeier Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten vorwarf, durfte man auf die heutige Plenarsession gespannt sein. Der geschäftsführende Generalsekretär Prof. Ioan Sauca hatte ja zu Beginn der Versammlung betont, dass der ÖRK niemand ausschliesst, sondern eine Plattform des Dialogs ist, ein «safe space» und gleichzeitig die Teilnehmenden aus der Ukraine herzlich begrüsste und den russischen Angriffskrieg mit klaren Worten beim Namen nannte.
Humanitären Aufgaben der Kirchen
Wer im Plenum einen Dialog zwischen Vertretern aus der Ukraine und Russland erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Bühne der Schwarzwaldhalle wäre dafür sicher auch kein geeigneter Rahmen gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Dialog im kleinen Kreis am Rande der Versammlung möglich wird und Schritte der Annäherung gegangen werden. Im Plenum kamen dafür Vertreter:innen aus der Ukraine zu Wort, die uns eindrücklich auf ihr Schicksal und die humanitären Aufgaben der Kirchen hinwiesen. Man darf diesen Entscheid, auf die Stimme der Opfer zu hören, durchaus als klare Stellungnehme des ÖRK zugunsten der Opfer dieses Konflikts und gegen die russische Aggression verstehen.
Podiumsdiskussion im Swisshub
Im Swisshub der EKS fand eine Podiumsdiskussion “Being Protestant in Europe today, contributing to reconciliation and unitity” statt. Engagiert diskutierten Annette Kurschus, Präses der EKD, Emmanuelle Seyboldt, Präsidentin der Eglise Protestant Unis de France und die Präsidentin der EKS Rita Famos miteinander und stellten sich den Fragen des Publikums. Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die Rolle der Kirche in den drei Ländern ist, mit welchen gemeinsamen Herausforderungen sie aber auch konfrontiert sind.
Plenumsdiskussion im Swisshub der EKS
2. Tag der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe
Klimagerechtigkeit und die Situation im Nahen Osten
von Bernd Berger
Vielstimmig, vielsprachig und bunt – die Gottesdienste an der Vollversammlung sind ein Erlebnis. Sie vermitteln eine Ahnung des Pfingstgeistes. Berührend war heute eine Zeremonie, in der Vertreter:innen aller Weltgegenden Wasser in ein Becken schütteten. Abgeschlossen wurde die Zeremonie mit den Worten: «Wir werden ernährt, versorgt und miteinander verbunden. Wir sind angewiesen auf alles Leben auf unserem Planeten. Wir sind durch die Taufe in Christus vereint. Wir sind gereinigt. Wir sind gesegnet.
Das thematische Plenum stand unter dem Thema “The purpose of God’s love for the whole creation – reconciliation and unity”. Im Zentrum standen Fragen der Klimagerechtigkeit und die Situation im Nahen Osten.
«Macht mit» statt «Macht über»
Hyunju Bae aus Korea legte in ihrer Bibelarbeit Mt 9,35-38 aus. In der Zürcher Bibel heisst es: Als er (Jesus) die vielen Menschen sah, taten sie ihm leid. Die Lutherbibel übersetzt «es jammerte ihn». Die englische Übersetzung «he had compassion with them» bringt viel deutlicher zum Ausdruck, worum es an dieser Stelle geht. Bae führte uns vor Augen, wie zentral compassion/Mitgefühl für das Verständnis Jesu ist und zeigte auf, dass compassion eine wichtige Führungsqualität ist. Die Nachfolge Jesu führt zu einem Bewusstseinswandel. Statt einer «Macht über» brauchen wir eine «Macht mit», die von Anerkennung und Respekt geprägt ist gegenüber allen Geschöpfen Gottes. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. In der ökumenischen Bewegung ist in letzter Zeit von einer «Ökumene der Herzen» die Rede. Ein hilfreiches Leitbild für die gemeinsame Nachfolge auf dem Weg des mitfühlenden Jesus.
Am Abend des 2. Versammlungstages trafen sich die unterschiedlichen Konfessionen, die Reformierten unter dem Dach des Reformierten Weltbundes. Es war ein eindrückliches Zeichen reformierter Vielfalt und weltweiter Verbundenheit. In diesem Rahmen wurde der ehemalige Generalsekretär des Reformierten Weltbundes Jerry Pillay aus Südafrika für sein neues Amt als Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen gesegnet und mit einer Bibel geschenkt. Pillay zeigte sich sehr gerührt von dieser Zeremonie. Er dankte für das Geschenk und meinte, es könne für einen Reformierten kein passenderes Geschenk geben als Gottes Wort.
1. Tag – Start der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe
Eröffnungstag
von Bernd Berger
Nach über 50 Jahren findet wieder eine VV des ÖRK auf europäischem Boden statt. Dass der Tagungsort Karlsruhe meine Heimatstadt ist, freut mich natürlich besonders. In der Schwarzwaldhalle habe ich mein erstes grosses Konzert besucht (Uriah Heep). Nun treffen sich in Karlsruhe rund 4000 Christ:innen aus aller Welt, rund 850 sind Delegierte der Mitgliedskirchen, die in diesen Tagen wichtige Entscheidungen über den weiteren Kurs des ÖRK treffen und den Zentralausschuss wählen.
Am Eröffnungstag sprachen die Moderatorin des Zentralausschusses des ÖRK Dr. Agnes Abuom und der geschäftsführende Generalsekretär Prof. Dr. Ioan Sauca. Sauca betonte in seinem eindrücklichen Bericht, dass der ÖRK eine Plattform des Dialogs sei und schilderte die Bemühungen des ÖRK, die russisch-orthodoxe Mitgliedskirche in einen kritischen Dialog zu bringen. Besonders herzlich wurden die ukrainischen Teilnehmenden begrüsst. Im Blick auf den Palästinakonflikt unterstrich Sauca, dass der ÖRK sich entschieden gegen Antisemitismus wende, jedoch Menschenrechtsverletzungen und Unrecht gegen die palästinensische Bevölkerung beim Namen nenne. Er berief sich auf den Dialog mit den Christ:innen in der Region und mahnte zu Vorsicht und Besonnenheit und wandte sich gegen eine Gleichsetzung der israelischen Politik mit der Apartheid.
Heisse Eisen an der ÖRK
Zu Gast war auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der als aktives Mitglied der reformierten Kirche in seinem Grusswort eindrücklich das Logo der Vollversammlung thematisierte und mit seinem Aufruf, sich gegen jede Form des Antisemitismus klar zu positionieren, eines der heissen Eisen der Versammlung und den deutschen Kontext ins Spiel brachte. In sehr deutlichen Worten drückte Steinmeier die Solidarität mit der Ukraine aus, verurteilte den russischen Angriffskrieg und den Missbrauch des christlichen Glaubens durch die Führung der russisch-orthodoxen Kirche. Man solle sich durchaus als Plattform des Dialogs verstehen, dürfe dem Dialogpartner aber unangenehme Wahrheiten nicht ersparen. Man darf gespannt sein, wie die weiteren Diskussionen auf der Vollversammlung zu diesen Themen verlaufen werden.
Ein eindrückliches Erlebnis war der Eröffnungsgottesdienst. Das bunte Miteinander von Christ:innen und Christen aus aller Welt, die miteinander singen und beten, hat sich mir eingeprägt und die Vorfreude auf die Gottesdienste und Bibelarbeiten der kommenden Tage verstärkt. Dass er ein buntes Potpourri war und ziemlich lange dauerte, war zu verschmerzen.
Spannende Plenumsveranstaltungen
Gespannt bin ich auch auf die thematischen Plenumsveranstaltungen. Wie wird hier in Karlsruhe über den Ukrainekrieg diskutiert werden? Wie wirkt sich der deutsche Kontext auf die Diskussionen zu Israel/Palästina aus? Welche Rolle werden Fragen des Postkolonialismus oder Genderthemen spielen? Was können die Kirchen gemeinsam zur Klimagerechtigkeit beitragen? Oder zu den brennenden Themen weltweiter Gerechtigkeit? Was heisst Einheit der Kirche heute und welche Einheit wollen wir anstreben? Und vor allem: kann das Thema der Vollversammlung «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt» uns geistlich stärken und ermutigen, unsere christliche Verantwortung in dieser Welt wahrzunehmen und uns dabei untereinander respektvoll und geschwisterlich darüber zu verständigen, wozu die Liebe Christi uns bewegt?
Bewegt von diesem Auftakt erwarte ich neugierig und gespannt auf die kommenden Tage.
Vom 31. August bis 8. September findet in Karlsruhe die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) statt. 20 Pfarrer:innen werden im Rahmen eines Kurses von pwb daran teilnehmen und ihre Eindrücke und Erfahrungen im Blog teilen.
30. August 2022 – von Bernd Berger
Die Vollversammlung des ÖRK findet etwa alle 8 Jahre statt (zuletzt 2013 in Busan). In Karlsruhe steht sie unter dem Motto «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt». Rund 3500 Christ:innen aus aller Welt – Delegierte und Gäste – werden sich in Karlsruhe treffen. Damit zeigt die Vollversammlung ein Bild der Diversität der weltweiten Christenheit.
Im Booklet zur Vollversammlung heisst es: «Direkte Inspirationsquelle für das Thema «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt» ist 2.Korinther 5,14. Es beruht auf dem zentralen Aspekt des Evangeliums, der der Welt die Tiefe und das Wunder der Liebe Gottes, der heiligen Dreifaltigkeit, aufzeigt. Es ist verwurzelt in der göttlichen Absicht von der Einheit und Versöhnung aller, einer Absicht, die durch die Fleischwerdung der Liebe Gottes in Jesus Christus für uns sichtbar gemacht wurde.»
Kurz vor den Sommerferien hatte ich enorm viel zu tun, so dass mein grosser Garten hintanstehen musste. Stress ist etwas Positives, weil er uns beflügelt und oft zu guten Leistungen treibt. Wenn er jedoch zu hoch wird, entsteht daraus Überforderung. Trotz Überstunden und Nachtschichten hatte ich das Gefühl, dauernd hinterherzurennen und doch zu spät zu sein. An einem halbwegs freien Nachmittag beschloss ich dann, endlich den Kompost im Garten umzusetzen, ein Projekt, das seit dem Frühling auf der inneren «To-do» Liste stand. Während der körperlich anstrengenden Arbeit hatte ich Zeit, meine Gedanken schweifen zu lassen. Ich kann nicht sagen, dass ich dabei völlig zur Ruhe kam, aber was vorher unübersichtlich und unlösbar schien, erhielt ein wenig Struktur, es taten sich Lösungsansätze auf. Ich war nicht mehr nur ein Spielball in einem gemeinen Flipperkasten, der mich mutwillig hierhin oder dorthin spickte, sondern ich konnte mein Schicksal wieder selber in die Finger nehmen.
Mit dem Umsetzen des Komposts gewann ich nicht nur wertvolle Erde für meinen Garten, sondern auch wertvolle neue Ideen. Solche Aus-Zeiten wünsche ich uns allen immer wieder.
Dieses wunderschöne Bild kommt aus Malaysia, es stammt von der Künstlerin Cheriyan Varthese und entstand für den Weltgebetstag. Das Bild nimmt Bezug auf die Geschichte, in der Jesus die Tochter des Jairus vom Tod erweckt. Jesus hat die Menschen auf – ge – stellt und ihnen Mut gemacht. Mit einem Wortspiel wird klar, was das Bild ausdrücken und Jesus uns sagen will: Zuerst wird die Frau abgewertet und immer weiter zu Boden gedrückt: 1) Das gehört sich nicht – 2) Denk an deine Pflichten – 3) Misch dich nicht ein – 4) Gib doch auf. Es bringt nichts – 5) Das schaffst du nie – 6) Du kannst das nicht – 7) Es ist hoffnungslos Dann wird sie ermutigt und mit jeder Äusserung weiter aufgerichtet: 7) Hab Vertrauen und fasse Mut – 6) Du bist ein freier Mensch – 5) Steh zu deiner Meinung – 4) Gib nicht auf, wir helfen dir – 3) Du hast Fähigkeiten, wir trauen es dir zu – 2) Du kannst das und du bist nicht alleine – 1) Es gibt immer Hoffnung, wir stehen auf (Eva Steiner)