Kirchgemeinde Unterseen: 25/7 für die Menschen da

Die Kirchgemeinde Unterseen konnte im letzten Jahr 2022 in der Freiwilligenarbeit ein Total von 9’166 Stunden mit einer gesamtgesellschaftlichen Relevanz ausweisen. Geteilt durch 365 Tage ergibt das 25 Stunden pro Tag.

Seit dem Jahr 2019 gilt im Kanton Bern das neue Landeskirchengesetz. Die Kirchgemeinden sind verpflichtet, in einer jährlichen Statistik jene Stunden der Freiwilligen und Ehrenamtlichen nachzuführen, die nachweislich eine Bedeutung für die Gesamtgesellschaft haben. Damit sind Angebote in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur gemeint, welche das staatliche Angebot ergänzen, bereichern und unterstützen. Was nicht mitgezählt wird, sind Stunden, die im Bereich «Kultus» zum Beispiel für Gottesdienste eingesetzt werden.

Dass die Landeskirchen in der Presse regelmässig schlecht abschneiden, ist hinlänglich bekannt: schwindende Mitgliederzahlen, leere Gottesdienste, verpasste Reformen. Die Frage sei erlaubt, ob die Öffentlichkeit den gesamtgesellschaftlichen Nutzen einer Kirche auch wahrnimmt – ein Nutzen, der sich in den Freiwilligenstunden oder wie in Unterseen an vielen offenen Angeboten ablesen lässt: «Fyre mit de Chlyne», Kinderwochen, Musicaltheater, Kaffee-Pause, Stubete, Treffen der «Frauen 60+» oder des Seniorenmännerclubs. Das beliebteste Angebot, das in Unterseen von 100 Freiwilligen mitgestaltet wird, ist das jährlich stattfindende «Chilchefescht», das im Stedtli gemeinsam mit dem «Adventsmärit» durchgeführt wird. Wenn der Steuerberater im Frühling beim Ausfüllen der Steuererklärung fragt: «Brauchen Sie die Kirche noch …?», müsste die Frage ev. erweitert werden: «Kann unsere Gesellschaft auf die Kirche verzichten …?» Vielleicht ist die Kirche nicht nur ein knorriger Ast, dem wir uns mit dem Austritt entledigen. Sie könnte zum unentbehrlichen Stamm gehören, der eine Gesellschaft mitträgt, mitprägt und gestaltet.

Mitglied werden gegen den Trend:

https://www.refbern.ch/de/was-wir-glauben/mitglied-werden-494.html




Blickwechsel von Cornelius Küttler

Unzählige Blicke begegnen mir Tag für Tag:
freundliche und aufmunternde,
vielleicht auch abschätzige und kalte.
Manchen Blicken weiche ich aus, ducke mich weg. In anderen sonne ich mich.
Manchmal verfängt sich mein Blick im Gestern,
und ich wollte doch eigentlich
hinter mir lassen, was war.
Manchmal sehe ich
die Herausforderungen von morgen
und habe nicht den Mut, das Neue zu wagen.
Manchmal übersehe ich die,
die meine Aufmerksamkeit brauchen,
und wollte doch eigentlich genau hinschauen.
Aber Du, Gott, siehst mir ins Herz.
Du siehst mich und all die anderen.
Du siehst selbst die, die vergessen sind.
Dein Blick reicht hinein in den hintersten Winkel.
Gott, wie gelingt es dir nur,
mich auf so unvergleichliche Weise anzusehen?
Dein Blick durchschaut mich und ist zugleich freundlich.
Ich kann nichts verstecken und muss es auch nicht.
Weil mein Leben in Deinem Blick geborgen ist.
Dein Blick verändert alles. Auch mich.
Ich kann loslassen, was war, und wagen, was kommt.
Ich kann mich und diese Welt mit deinen Augen sehen:
mit Augen einer Liebe, die größer ist als alles,
was ich mir vorstelle


Eva Steiner

Schatten – und was der Himmel draus macht

Oktober und November sind Monate, die mir nicht besonders liegen. Nicht des Herbstes wegen – ich liebe das Farbenspiel der Blätter, die wunderbare Fernsicht und dass es am Morgen Reif auf den Feldern hat. Aber in diesen zwei Monaten wird beinahe das ganze nächste Jahr geplant, ich schleppe mich von Sitzung zu Sitzung, daneben läuft das inhaltliche Programm wie KUW, Gottesdienste, Seelsorge und Altersanlässe weiter. Jedes Jahr sucht mich der Planungskoller wieder heim! Da verstehe ich den Psalmbeter, der schreibt: «Mein Leben ist nur noch ein langer Schatten. Ja, ich fühle mich matt wie verdorrtes Gras.» (Psalm 102, 12) Denn Planen ist nicht meine Stärke, es nimmt mir Kraft und gibt keine zurück.

Kürzlich durfte ich am Morgen ein wunderbares Spiel von Wolken, Schatten und der herandämmernden Sonne erleben. Da wurde mir wieder deutlich bewusst, wie der Himmel aus Schatten ein wunderbares Schauspiel zaubern kann. Der Himmel – die Wolken und das Licht, das wir tatsächlich sehen und der Himmel – das, was ich mit dem Wort «Gott» verbinde. Der Himmel macht auch aus dunklen Schatten ein Leuchten, er stärkt uns durch alles Belastende hindurch. Danke!

Pfarrerin Christine Sieber