Feiertagsfalle

Hanns Dieter Hüsch (1925-2005) war deutscher Kabarettist und Schriftsteller. In seinem Gedicht «Feiertage» zeichnet er eine Familiensituation während den Weihnachtstagen, wie sie den meisten von uns vertraut ist. Alle meinen es gut und möchten im Miteinander ein schönes Fest erleben. Ich zitiere in Auszügen:

Oma ist gekommen
um Mutter zu helfen
Vater hat gesagt
sei nicht nötig gewesen
Kind steht im Weg
Mutter steht im Weg
Oma steht im Weg
Vater steht im Weg

Alle ham geschafft
mit allerletzter Kraft
Und dann werden
Die Pakete aufgeschnürt
Mutter ist gekränkt
Vater ist gekränkt
Kind ist gekränkt
Oma ist gekränkt
Denn jeder hat dem anderen
was Falsches geschenkt

Mutter ist beleidigt
Vater ist beleidigt
Kind ist beleidigt
Oma ist beleidigt
Friede auf Erden
und den Menschen ein Unbehagen

Mir scheint, dass eine familiäre Entflechtung in der Vorweihnachtszeit sinnvoll wäre, damit wir die Erwartungen ans Miteinander nicht überstrapazieren. Jede und jeder könnte nach dem suchen, was ihm persönlich guttut. Mein Textvorschlag:

Kind spielt mit Lego
Mutter geht ins Fitness
Vater geht mit Hund
Oma backt Plätzchen
Vater sagt
wär schön
wenn Oma kommt
mit Plätzchen

Ob sich diese Familie an Heiligabend gewinnen liesse, wenn sie in der Kirche zur Christnachtfeier eingeladen würde …? Weil Weihnachten doch nur dort zu finden ist, wo sie herkommt: beim Kind in der Krippe im Stall zu Bethlehem. Neuer Textvorschlag:

Zur Kirch sind sie gekommen
die Interessierten und die Frommen
Mutter singt Lieder

Vater betet «unser Vater»
Kind rühmt
Krippenfiguren
Oma hört Predigt

So entdeckt eine Familie das Geheimnis von Weihnachten neu. Und zum Abschluss erfolgt ein fröhlicher Ausklang:

Friede auf Erden
und den Menschen
ein Wohlgefallen
Mutter summt Lieder
Vater isst Plätzchen

Hund darf mitessen
Kind öffnet
neue Legopackung
Oma denkt gern an die Feier
im kommenden Jahr

Heinz Käser