Träume sind keine Schäume

Das heutige Baptisterium der Lydia im gleichnamigen Dörfchen in Griechenland
(Foto: Christine Sieber)

Lydia träumte von einem anderen Leben – nur wusste sie nicht, wie das aussehen könnte. Sie konnte sich nicht beklagen: das Geschäft lief gut, ihre Kinder waren gesund, wissbegierig und unternehmungslustig, sie hatte Freundinnen in der «guten Gesellschaft». Aber innerlich sehnte sie sich nach etwas, was sie selbst nicht benennen konnte.

Lydia lebte in Philippi, im antiken Griechenland. Während der letzten drei Monate habe ich mich auf ihre Spuren gemacht und viel Neues gelernt. Sie stammte aus Thyatira in der heutigen Türkei und betrieb einen Purpurhandel. Purpur war damals wertvoller als Gold. Wer wieviel Purpur an seinen Kleidern haben durfte, wurde vom Kaiser reglementiert.

Lydia war nicht (mehr) verheiratet, sie stand aber einer Hausgemeinschaft vor, in der wahrscheinlich Kinder, Sklavi*innen und von ihr abhängige Arbeiter*innen lebten. Am Samstag ging sie jeweils mit anderen Frauen vor die Stadt an einen Fluss, wo sie bei jüdischen Gottesdiensten mitfeierte.

Mich fasziniert an Lydia, dass sie vor 2000 Jahren ein sehr emanzipiertes Leben gelebt hat. Obwohl es viele Unterschiede zu uns gibt (wie z.B. die Sklaverei, die damals «normal» war), hatte sie teilweise dieselben Ängste, Träume und Alltagssorgen wie wir. Ihr Traum ging in Erfüllung, als sie Christin wurde. Mein Traum ist es, einmal ein Buch über sie zu schreiben. Was ist Ihr Traum?

Die wenigen Sätze, die von Lydia in der Bibel stehen, kann man in der Apostelgeschichte, Kapitel 16, Verse 13-15 und 40 nachlesen.

Christine Sieber-Feitknecht

Ich liebe Rätsel

Bild: Pixabay

Ich liebe Rätsel! Natürlich nicht nur die gängigen wie Kreuzworträtsel und SuDoKu, sondern manchmal auch das Finden von Unterschieden oder komplexere Rätsel, die sich in der Suche nach einem Mörder in Krimis oder bei kniffligen Psychothrillern zeigen. Rätseln ist etwas Spielerisches, wobei ich auch noch etwas lernen kann, wenn eigenes Wissen nicht ausreicht.

So kam ich auf die Idee, dieses Jahr am Seegottesdienst im Neuhaus den Mitfeiernden auch ein Rätsel aufzugeben. Passend zum Wetter und der Ferienstimmung vermittelnden Musik der Steeldrums wurden bunte Sonnenbrillen mit dem Logo KGU an der Seite verteilt. Findige Rätselfüchse erraten sicherlich schon dessen Bedeutung: KirchGemeinde Unterseen. Stimmt, aber das wäre doch gar zu einfach. Für die drei Buchstaben präsentierte ich am Gottesdienst mit Taufen eine Auflösung: Kraftvoll Gesegnet Unverzagt. Doch ich war überzeugt, dass da noch andere Auflösungen der drei Buchstaben möglich sind. Also lud ich alle ein, die gerne Rätseln, mir bis Ende Juli ihre Lösungsvorschläge zu schicken. Und es kamen ein paar originelle Vorschläge. Hier die drei Gewinnerauflösungen:

1. Platz «Kunterbunt Gutgelaunt Umgänglich»,

2. Platz «Kirche Ganz Unkonventionell»

3. Platz «Konsequent Gott Umarmen».

Natürlich gab es auch etwas zu gewinnen. Die Jury bestehend aus dem Kirchgemeinderat und den Mitarbeitenden vergab Punkte und wählte so die drei originellsten Lösungen aus. Die GewinnerInnen erhalten nun eine Nachricht und einen Gutschein von unserem Bäcker Mohler. Herzlichen Glückwunsch!

Bild: Natalie Aebischer

Einem Rätsel gleicht auch das Lesen biblischer Texte. Wie bei einem Kreuzworträtsel braucht es zum Entschlüsseln der Bibel auch ein gewisses Mass an Wissen. Besonders wichtig dabei ist das geschichtliche Hintergrundwissen zu den Zeiten, in denen die Texte entstanden sind. Dieses hilft enorm, um die Texte einordnen und deren ursprünglichen Sinn entziffern zu können. Kenntnisse der biblischen Texte und des Aufbaus der Bibel erleichtern das Lösen des Rätsels zusätzlich, denn die meisten Texte enthalten Anspielungen auf andere biblische Texte oder setzen deren Kenntnisse voraus.

Da ich im Studium noch die alten Sprachen gelernt habe, in denen die Texte ursprünglich geschrieben sind, kann ich auch direkt selbst eine Übersetzung eines Textes machen – das braucht natürlich etwas mehr Zeit als das Lesen der deutschen Übersetzungen, aber mitunter lassen sich in den kleinen Nuancen, die sich je nach Wortwahl bei der Übersetzung ergeben, spannende Dinge entdecken. Ein kleines Beispiel: viele kennen sicherlich das Sprichwort «Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf» – ein Wort, das sich aus Psalm 127,2 verselbständigt hat und meint, dass es gewissen Menschen ganz einfach fällt, Dinge zu erreichen. Aber eigentlich heisst es bei genauer Lektüre im Urtext nur: «Den Seinen gibt der Herr den Schlaf»! Gut ausgeschlafen fällt natürlich Vieles leichter, aber eben, die Arbeit muss dann doch selbst gemacht werden und kommt nicht einfach im Schlaf zu uns in den Schoss.

Mit etwas Übung lassen sich also unsere manchmal als verstaubt bezeichneten Bibeltexte auch enträtseln. Lösungen gibt es dabei natürlich Verschiedene. Und sie können durchaus in unserem Alltag aktuell sein oder werden.

Habe ich Ihre Neugier geweckt? Dann fangen Sie doch einfach an zu lesen und zu rätseln – Hilfe finden Sie nicht nur online, sondern auch bei uns vor Ort im Gottesdienst oder in persönlichen Gesprächen…

Ich wünsche Ihnen viel Spass, guten Mut und Durchhaltewillen bei den Rätseln, die sich Ihnen stellen und gute und lebensfreundliche Lösungen.

Pfrn. Natalie Aebischer

Leas Büchertipps für den August

Foto: Unsplash von Monica Yu

Egal ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, bei mir ist immer Lesesaison – und darum dachte ich, ich empfehle ein paar wirklich tolle Bücher, die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Sie sind aus ganz verschiedenen Genres, so dass für verschiedene Geschmäcker was dabei ist: 

Joshua – Der kleine Zugvogel von Inka Pabst
Ein besonderes Bilderbuch! Erst beim Lesen habe ich bemerkt, was es für eine ungewöhnliche Geschichte ist. Denn sie nimmt den kleinen Zugvogel Joshua und benutzt ihn als wunderschöne, aber auch traurige Metapher für Sternenkinder. Kinder, die nur allzu kurz bei ihren Eltern und Familien auf dieser Erde weilen, geliebt werden und dann… weiterziehen. 

Megalästig – megalecker – megagesund: 30 Unkraut-Rezepte von Janine Hissel
Ein Buch für alle GärtnerInnen, HobbyköchInnen und alle, die es vielleicht noch werden wollen.
Der Begriff Unkraut ist sowieso nur eine Frage der Definition. Und so bringt das Buch einen neuen (alten) Blick auf drei „Unkraut“Planzen und besticht mit tollen Rezepten.

Pageboy von Elliot Page
Für alle, die gerne Biographien lesen – ein wirklich beeindruckendes Portrait eines Lebens im Rampenlicht.
Die Themen sind teilweise ziemlich heftig, und es geht definitiv unter die Haut. Es zeigt einmal mehr, dass man von aussen nie wissen kann, was hinter einer glitzernden Fassade wirklich passiert.
Und zuletzt noch etwas explizit theologisches, das aber so geschrieben ist, dass es gerade auch für nicht TheologInnen sehr interessant ist!

What is the Bible? Von Rob Bell
Der Untertitel erklärt eigentlich schon alles was man wissen muss: 
„Wie eine antike Bibliothek voller Gedichte, Briefe und Geschichten verändern kann, wie du über alles andere denkst und fühlst.“ 
Auf Deutsch ist es als EBook, auf Englisch als Taschenbuch erhältlich. 

Nun wünsche ich vergnügliche, inspirierende und gemütliche Stunden beim Lesen.

Lea Zeiske

Geschichte einer Rettung

Bild: Eva Steiner

Kennen Sie die Geschichte von Moses wundersamer Rettung aus dem Nil? Ein ägyptischer Pharao beschloss vor mehr als 3000 Jahren, alle Knaben der fremden Volksgruppe, die für ihn arbeitete zu töten. Um ihren Sohn zu bewahren, setzte die Mutter von Moses ihn in einem mit Pech abgedichteten Korb im Schilf des Nils aus. Eine Tochter des Pharaos fand den Knaben und rettete ihn. Mirjam, Moses Schwester erschien „zufällig“ und vermittelte seine Mutter als Amme. Später wurde Moses am ägyptischen Hof erzogen.

Moses war der Anführer des Volkes Israel, das der Sklaverei in Ägypten entfloh. Er sprach mit Gott, bekam von ihm die 10 Gebote, wirkte Wunder und galt als Autor der ersten 5 Bücher der Bibel. Moses begründete eigentlich das Judentum, das Christentum und den Islam.

Dann haben die Bibelforschenden und die Archäologie herausgefunden, dass die 5 Bücher Mose einen Entstehungsprozess von ungefähr 600 Jahren haben. Die Geschichte von Moses Rettung gibt es beinahe wortgleich in früheren Schriften über König Sargon aus Assyrien. Auf einmal ist historisch wenig übrig von der Gestalt des Moses.

Was bleibt also von den Ursprüngen unseres Glaubens? Ich meine viel! Glaube soll weiterbringen, nicht stur sein. Die Geschichte von Moses im Schilfmeer lehrt uns Menschenliebe und listiges Vorgehen gegen Gewalt, wann immer sie entstanden ist. Der Bericht einer Gruppe von Menschen, welche der Sklaverei entfloh und sich Regeln für ein friedliches Zusammenleben gab, erzählt von der Freiheit. Gott übersteigt unser menschliches Verstehen und steht für die Liebe und den Weltfrieden.                                                                                                                                                               Pfarrerin Eva Steiner

Nasenflügelbeben

Foto: Heinz Käser

In seinem Gedicht «Morgenwonne» braucht Joachim Ringelnatz das schöne Wort «Nasenflügelbeben». Aktuell kann ich dieses Beben körperlich nachempfinden, wenn ich unten an der Aare joggen gehe und die Lindenblüten inhaliere. Die kurze Strecke wird mir zur Wohlfühloase, zum Sinneserlebnis, zur Lindenallee …!

Lindenblüten sind Lebenszeichen in Gottes schönem Garten. Sie ziehen Menschen und Bienen in ihren Bann. In der Pflanzensymbolik wird die Linde mit Heimat gleichgesetzt. Anklänge finden sich im alten Liedgut: «Am Brunnen vor dem Tore da steht ein Lindenbaum. Ich träumt in seinem Schatten so manchen süssen Traum.»

Werden die frischen Blüten in der Pfanne mehrmals kurz aufgekocht, bekommt der Tee eine rötlich goldene Farbe. Werden die Blüten getrocknet, steht im Winter ein Entzündungshemmer frei Haus zur Verfügung.

Lindenblüten sind ganzheitliche Medizin: der Duft für die Nase, die Farbe fürs Auge und der Tee fürs Herz. Sie fördern Herzwärme, Augenschmeicheln und Nasenflügelbeben.

Heinz Käser, Sozialdiakon

Steine uf üsem Wäg

Foto: Pixabay

Ändlech isch Oschere da. Mi dünkts, es sig dieses Jahr lang gange, bis mir ds Cho vom Läbe und vom Liecht i däm fröidvolle Fescht hei dörfe finde. Guet, i de Läde isch Oschtere scho lang sichtbar. Scho im Februar hani die erschte Osterhase und Oschtereier gseh. Aber ds Gfüehl vo Oschtere, dass isch für mi ersch itze eso richtig ufcho, wo d Blueme föh afa spriesse. Böim ihres saftige Grüen überchöme und die nöii Oschtercherze es erschts Mal het dörfe brönne.

A Karsamschtig isch mir e Text i d Finger cho, wo mi sithär begleitet. D Margot Bickel het gschribe:

Auf dem Weg nach Golgotha,
auf dem Gang nach Canossa,
auf allen Wegen liegen Steine,
Felsblöcke,
Ecksteine,
Kiesel
zum Werfen und Stolpern.

Auf dem Weg nach Golgotha,
auf dem Gang nach Canossa,
auf allen Wegen liegen Steine,
die uns zwingen langsamer zu gehen,
anzuhalten,
gestürzte zu stützen;
nach dem eigenen Fall
das Aufstehen wieder zu lernen.

Auf dem Weg nach Golgotha,
auf dem Gang nach Canossa,
auf allen Wegen
liegen Steine
im Weg.

Steine süme immer wieder üse Wäg. Mängisch lige sie diräkt vor üs. Mängisch finde eso chlini eckligi Dinger dr Wäg i üsi Schueh und mir müessse e Pouse ilege, für dä chli Plaggeischt los z wärde. Mängisch sis grossi Chempe, wo vor üs lige. Sie zwinge üs, e Wäg drüber oder drumume z sueche, we sie z schwär sy, für üs zum usem Wäg ruume. Mängisch strouchle mir ou eifach überne Stei, wo fräch e chli usem Bode luegt und mir lande uf dr Nase.

Steine ufem Wäg – Bilder für Useforderige i üsem Läbe, wo mir nid gsuecht hei, wo aber plötzlech uftouche und üs ds Läbe ghörig schwär chöi mache.

Eso e Stei isch a Karfritig ou Jesus i Wäg gleit worde. Sie Wäg het schinbar ufghört. Sis Läbe isch schinbar begrabe gsy düre gross Fels vorem Grab. Aber da isches Oschtere worde und dr Stei isch wäggwälzt worde. Ds Liecht het dr Wäg i ds Dunkle gfunde. Ds Läbe het dr Tod besiegt. E wunderbari Erfahrig. U so nime i d Hoffnig und ds Vertroue vo Oschtere ou mit uf mi Wäg. E Hoffnig und es Vertroue, wo mir seit, dass egal, wie gross dr Stei isch, wo mi Wäg versperrt und mi am Witercho hinderet, s e Wäg git, wo witerfüehrt und mi dä Stei laht la überwinde. Vilech bruchts e grössere Umwäg, vilech muess i mi astränge und chlättere, vilech bruchts vil Chraft und Usduur, vilech muess i ou lehre, Hilf aznäh vo öpperem, dermit i dä Stei cha überwinde, aber jede Stei, so isch d Hoffnig und ds Vertroue, wo mir Oschtere mitgit, laht sich usem Wäg ruume oder umgah. Das geit nid ohni Schwierigkeite. Das geit nid müehelos und vo sälber. Nei, ou Gott ruumt mir dä Stei nid eifach usem Wäg. Aber är isch bi mir. Sini Chraft stercht mi bim Ufstah, hilft mir ou anderi z stütze, wo e Stei zum Strouchle bracht het und laht mi nid verzwifle. U wär weiss, vilech finde mir ou chline, koschtbari Steine, wo üs wäder zum Stolpere noch zum Wägwärfe bringe, sondern i üsem Hosesack zumene tröiie und Chraft schänkende Begleiter wärde.

I wünsche öich e gsägneti Oschertzyt und Oschtererfahrige immer denn, wenn e Stei öich dr Wäg versperrt.

Natalie Aebischer, Pfarrerin

Ein Lächeln zum Weiterreichen

Frühling, Passions- und Fastenzeit, Zeit vor Ostern. In den Fastenbriefen von Andere Zeiten, die ich mir jeweils für diese Zeit bestelle, habe ich ein wunderschönes Gedicht von Otto-Heinrich Kühner gelesen:

Pummerer, in morgendlich heiterer Ruh,
Lächelte seinem Nachbarn Mommer zu.
Dieser, durch das Lächeln ebenfalls heiter,
Gab es an den Strassenbahnfahrer weiter,
Der an die kleine Verkäuferin und die
An Herrn Degenhardt von der Drogerie,
Dieser an Schwester Elke vom Kinderhort,
Diese an die Toilettenfrau – und so fort.
So kam es schliesslich irgendwann
Spätnachmittags am Schillerplatz an
Bei einem im Augenblick traurig-tristen,
Durch das Lächeln doch erheiterten Polizisten,
So daß der, als Pummerer den Verkehr
blockierte,
Den Verstoß nur mit einem Lächeln quittierte.

Mir hat dieses Gedicht jedenfalls sofort ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert.

Die Resilienz-Forschung belegt, dass dieses Gedicht stimmt. Vielleicht kommt das Lächeln nicht direkt zu einem zurück, und sehr wahrscheinlich reicht ein Lächeln im realen Leben nicht, um einer Verkehrsbusse zu entkommen, aber ein Lächeln nützt immer. Sogar ein künstliches Lächeln am Morgen, wenn man vielleicht noch gar keine Lust dazu hat, ein Heraufziehen der Mundwinkel vor dem Spiegel, löst Glückshormone aus. Wenig Aufwand, grosse Wirkung.

Die Bibel sagt: «Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Gesicht» (Sprüche 15,13) – ich kehre den Spruch um und sage: «Ein fröhliches Gesicht macht ein fröhliches Herz»

Probieren Sie es aus!

Angaben zum Gedicht: Ein Lächeln zum Weiterreichen, Gedicht von Otto-Heinrich Kühner, Aus: Pummererverse oder vom Nutzen um Haaresbreiten. Ullstein GmbH Verlag, Berlin, 1981
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Brückner-Kühner, https://brueckner-kuehner.de/

Was sollen uns teure Kirchengebäude?

Weil die Heizung in der Kirche Unterseen in die Jahre gekommen ist und es zudem sehr energieaufwändig ist, das grosse Kirchengebäude zu heizen, verlegen wir jeweils in den zwei kältesten Monaten unsere Aktivitäten ins FUTURA.

Es ist erstaunlich, dass die Kirche in dieser Zeit recht vielen Menschen fehlt; dass sie finden, eine Taufe oder ein Abschied sollte in der Kirche stattfinden. Ich kenne auch einige Leute, die zwar selten in einen Gottesdienst kommen, aber überall, wo sie hinkommen die Kirchen anschauen. Viele sagen, in einer Kirche herrsche eine besondere Atmosphäre. Mehr noch als für unsere recht schlichte Kirche gilt das für Kathedralen mit schönen Kunstwerken. Ich staune immer wieder, welche riesigen Anstrengungen da über die Jahrhunderte erbracht wurden. Es gibt die Meinung, das Geld für die teilweise prunkvollen Gebäude, für die Schnitzereien, für eine Orgelrevision würde besser für die bedürftigen Menschen eingesetzt. Das hat etwas für sich. Und trotzdem – was wären wir ohne die Kunst, sei es die bildnerische, die musikalische oder die architektonische. Von Gerhard Richter stammt das Zitat: «Die Kunst ist die höchste Form von Hoffnung». Dass die Menschen, die sich an Gott orientieren, den Ort, wo sie sich in seinem Namen versammeln verschönern und bewahren, finde ich wichtig und hoffnungsvoll.

Unterseen, 20. Januar 2025, Pfarrerin Eva Steiner

Herbstzauber

Foto: Erika Müller

Dieses wunderschöne Foto hat mir ein Gemeindemitglied geschickt. Nach einem kalten und verregneten September konnten wir noch einen prächtigen Spät-Herbst geniessen. Die Farben, von der Natur zur Verfügung gestellt und sorgfältig auf dem Teller arrangiert, liessen mit innehalten und sagen: «what a wonderful world!»

Geht es nicht immer wieder darum, voller Freude festzustellen, wie schön die Welt ist? Natürlich gibt es viel Schlimmes, in der Weltpolitik sowie in unserem Privatleben. Schicksalsschläge, wir fragen: Warum?
In allem, was uns belastet, immer wieder die Perlen finden, die leuchten, trotz allem, das ist Glaube. Das gibt uns auch Kraft, um weiterzumachen.

Jetzt steht der Winter bevor, die dunkle Jahreszeit, Advent und Weihnachten. Für viele nicht nur eine Zeit des Winterzaubers, sondern belastend, beängstigend, einsam.

Bewahren wir für diese Zeiten die Farben des Herbstes in unserem Gedächtnis, und wir dürfen sicher sein: «von vorne und hinten umgibst du mich, dein starker Arm schützt mich, du nimmst mich an der Hand und lässt mich nicht allein.» (Psalm 139)

Christine Sieber

Good News, bad News

Vor zwei Tagen habe ich einen Spaziergang gemacht. Die Sonne schien, meine Musik war gut, und ich bin vor Glück fast 5 Zentimeter über dem Boden geschwebt.
Heute habe ich wieder einen Spaziergang gemacht. Die Sonne schien, die Musik war gut und irgendwie wollte sich diese Glücklichkeit nicht wieder einstellen.
Zuerst habe ich versucht einfach die Musik bisschen lauter zu drehen.
Hat aber leider nicht geholfen.

Woran das wohl liegt?

Vielleicht daran, dass heute Montag ist. Das ist doch eigentlich höchst absonderlich, dass ein Wochentag, so viel Einfluss auf meine Gefühle haben sollte. Aber eben es ist Montag, und es sind mehr  Dinge auf meiner To Do Liste, als noch vor zwei Tagen.

Nicht nur vielleicht, sondern ziemlich sicher liegt es aber auch daran, dass ich Nachrichten gehört habe. Also eigentlich sind es ja nicht die Nachrichten an sich. Aber der Fakt, dass neben den vielen normalen täglichen Katastrophen, die sich im Leben von ganz vielen Leuten ereignen, eben auch noch grosse Katastrophen ereignet haben. Naturkatastrophen für die irgendwie niemand was kann. Und Krieg. Terror.
Wo das Leid, das Klagen, das Einschüchtern, das Verzweifeln, voller Absicht ist.

Ich spaziere jetzt also weiter, und versuche nicht mehr glücklich zu sein. Sondern alle meine Emotionen mitgehen zu lassen auf diesen Spaziergang. Da kommt meine Traurigkeit, die mir in der Kehle kitzelt. Und es tut gut, in der Sonne, am glitzernden Fluss entlangzugehen, und einfach kurz mal richtig traurig zu sein. Ein bisschen Wut ist da auch irgendwo, aber zum grössten Teil ist da doch das Gefühl, nichts tun zu können. 
Das ganze ist so weit weg, und doch so nah.

Es geht nicht lange, bis ich mich in den grossen philosophischen Fragen verliere:
„Sollte unser Lebensziel eigentlich nicht Traurigkeit statt Glück sein? – wäre viel einfacher. Zum traurig sein, findet sich immer was.“
Oder reicht „Zufriedenheit“?
Im Frieden sein, mit sich, der Welt.

Aber bei so viel Unfrieden, den man verhindern könnte, scheint das auch nicht sie ultimative Lösung zu sein.
Ich überlasse es lieber schlaueren Leuten, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Wir sind noch bei meinem Emotionen.

Und bei der Sojamilch.
Die wollte ich auf dem Spaziergang ja auch noch einkaufen.
Nur noch 1 Tüte da. Ich wollte eigentlich den Vorrat auffüllen.
Sich jetzt aber da drüber zu ärgern, kommt mir nach meinem Spaziergang aber doch kleinlich vor.
Also tue ich es nicht. Und spaziere mit der einen Sojamilchtüte nach Hause.

Nicht 5 Zentimeter über dem Boden vor Freude. Sondern mit beiden Füssen auf dem Boden, und Emotionen die sich irgendwie geerdeter anfühlen.

Dieser Text ist am 8.Oktober 2023 entstanden.

Ich dachte, ihn zum Jahrestag von den schrecklichen Ereignissen am 7.Oktober zu veröffentlichen passt ganz gut. Aber da er auch auf andere Erlebnisse gelesen werden kann, ist er auch ein Jahr später noch aktuell.

Lea Zeiske