Da ist es wieder, dieses hämische Grinsen der Waage, die mir unverblümt vor Augen führt, dass ich wieder ein paar Kilo zu viel auf den Rippen habe! Was kann ich tun? Diät halten? Fasten? Zur Spritze greifen wie es uns Stars aktuell in den Social Media vormachen? Es gibt ja dieses Diabetesmedikament, das für gesunde Menschen eine nette Nebenwirkung hat: Die Pfunde purzeln ganz ohne Anstrengung. Dazu unten noch ausführlicher. Oder braucht es doch ganz einfach nur mehr Bewegung, etwas Sport und eine bewusste Ernährung?
Wir leben in einer Welt, in der ein optimierter Körper immer wichtiger wird. Untergewichtig zu sein wird zum Idealgewicht. Sixpack und gut geformte Muskeln, hier ein wenig Botox gegen die Falten, da eine kleine Schönheitsoperation… – und wenn alles nichts hilft, kommt noch der Filter übers Bild… alles ist möglich, alles ist erlaubt, so scheint es mir.
Natürlich, jeder/jede kann selbst über ihren/seinen Körper entscheiden, aber eines gibt mir zu denken: Kann es sein, dass ein wichtiges Medikament entwickelt für Diabetiker/innen ganz einfach gesunden Menschen zur Verfügung gestellt wird, ja gar verschrieben wird, nur um mühelos ein paar Kilos zu verlieren? Kann es tatsächlich sein, dass dadurch dieses Medikament knapp und teuer wird für all jene, die es wirklich brauchen? Und was sind die Folgen für jene, die sich als gesunde Menschen dieses Medikament spritzen? Dieser sorglose Umgang mit Ressourcen, dieser sich zeigende Egoismus in einem Mass, der anderen schadet, macht mich betroffen. Mensch – was tust du?
In einem alten Gebet steht: «Ich danke dir und staune, dass ich so wunderbar geschaffen bin. Ich weiß, wie wundervoll deine Werke sind.» (Psalm 139,14) Das gilt für uns alle, ob dick oder dünn, gestählter Körper oder einfach nur «Normalo» mit Problemzonen. Wir sind wunderbar, so wie wir sind! Eine entlastende Aussage und Aufgabe zugleich.
Am 14. Februar beginnt im Kirchenjahr die Fastenzeit. Diese 7 Wochen vor Ostern, dem Fest des Lebens und der Freude, bieten uns eine kleine Auszeit. Den Auftakt dazu begehen wir am Aschermittwoch, der dieses Jahr zufällig auf den Valentinstag fällt. Gefeiert wird an diesem Tag die Liebe mit Blumen, Karten und Geschenken. Von vielen bloss noch als Kommerz gesehen birgt dieser Tag dennoch Tiefgang. Liebe ist nicht nur ein wichtiges Wort, sondern eine grundlegende Emotion, die vieles bewegen kann. Dabei gibt es neben der Liebe zu einem anderen Menschen auch die Liebe zu uns selbst und zu unserer Umwelt. Und für mich gibt es auch die göttliche Liebe, die hinter dem Wunder des Lebens steht. Die Fastenzeit möchte uns Gelegenheit geben, über unseren Alltag und unser Leben nachzudenken. Dabei können uns Fragen begleiten wie: Sind wir noch auf guten Wegen? Gibt es Dinge, die ich loswerden möchte? Gibt es Dinge, die ich ändern möchte? Und wie halte ich es mit der Liebe zu mir, zu meinem Nächsten, zur Umwelt und auch zu jener Kraft, die hinter allem Leben steht? Geleitet von der Liebe können neue Wege sichtbar werden für uns und auch für unsere Welt. Denn Liebe kann etwas bewirken, wenn wir unser Reden und Handeln davon lenken lassen!
Schaue ich meine überflüssigen Pfunde mit eben dieser Liebe an, dann werde ich diese wohl nicht um jeden Preis durch extreme Fastenübungen loswerden. Sondern ich höre liebevoll in mich hinein und schaue, was mein Körper braucht und wie ich dennoch zum von mir angestrebten Idealgewicht zurückkehren kann – auch wenn es vermutlich anstrengend werden wird. Dabei hilft mir ein Grundsatz einer weisen Frau aus der Kirchengeschichte. Theresa von Avila wurde einmal gefragt, warum sie denn in der Fastenzeit Fleisch esse (Fleisch gabs damals nur ausnahmsweise an Sonntagen). Darauf hat sie nur trocken gesagt: «Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn. Wenn fasten, dann fasten.» Dieser Satz ist für mich Ausdruck dafür, dass ein sorgfältiger und achtsamer Umgang mit den Situationen unseres Alltags durchaus zu einem guten Leben führen kann: Mal ist es Zeit zum Geniessen und mal Zeit zum Fasten!
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Fastenzeit!
Natalie Aebischer