Im Frühling hatte ich die Amsel emsig Nistmaterial sammeln sehen: feine Zweige, nasses, halb verfaultes Gras, Moos. Vor allem über das verfaulende Gras wunderte ich mich, es sah sehr unappetitlich aus. Daraus konnte doch unmöglich ein gutes Nest entstehen? Später sammelte die Amsel eifrig Würmer, noch später zeterte sie im Garten herum, als ihre Jungen flügge wurden und mehr schlecht als recht ihre ersten Flugversuche starteten. Beim Schneiden der Hecke habe ich dann das Nest gefunden: wunderschön gewoben aus dem gesammelten Material. Das halb verfaulte Material hatte als Fundament und «Mörtel» gedient. Ein Kunstwerk! Ich staune immer wieder, wie Vögel nur mit ihrem Schnabel solche Gebilde bauen können.
Die Natur hat eine perfekte Kreislauf-Wirtschaft: alles wird (wieder-)verwendet, aus unappetitlichem, fauligem Material wird der Mörtel, der das kunstvolle Nest zusammenhält. Die Amsel hat «Upcycling» betrieben, sie hat aus etwas scheinbar Wertlosem etwas Neues, Wunderbares gemacht. Das nächste Mal, wenn ich jemanden etwas tun sehe, das ich nicht verstehe, denke ich an die Amsel und das Vogelnest: aus etwas Unverständlichem, Unappetitlichem kann etwas Wunderschönes und Kunstvolles werden! (cs)