Vor zwei Tagen habe ich einen Spaziergang gemacht. Die Sonne schien, meine Musik war gut, und ich bin vor Glück fast 5 Zentimeter über dem Boden geschwebt.
Heute habe ich wieder einen Spaziergang gemacht. Die Sonne schien, die Musik war gut und irgendwie wollte sich diese Glücklichkeit nicht wieder einstellen.
Zuerst habe ich versucht einfach die Musik bisschen lauter zu drehen.
Hat aber leider nicht geholfen.
Woran das wohl liegt?
Vielleicht daran, dass heute Montag ist. Das ist doch eigentlich höchst absonderlich, dass ein Wochentag, so viel Einfluss auf meine Gefühle haben sollte. Aber eben es ist Montag, und es sind mehr Dinge auf meiner To Do Liste, als noch vor zwei Tagen.
Nicht nur vielleicht, sondern ziemlich sicher liegt es aber auch daran, dass ich Nachrichten gehört habe. Also eigentlich sind es ja nicht die Nachrichten an sich. Aber der Fakt, dass neben den vielen normalen täglichen Katastrophen, die sich im Leben von ganz vielen Leuten ereignen, eben auch noch grosse Katastrophen ereignet haben. Naturkatastrophen für die irgendwie niemand was kann. Und Krieg. Terror.
Wo das Leid, das Klagen, das Einschüchtern, das Verzweifeln, voller Absicht ist.
Ich spaziere jetzt also weiter, und versuche nicht mehr glücklich zu sein. Sondern alle meine Emotionen mitgehen zu lassen auf diesen Spaziergang. Da kommt meine Traurigkeit, die mir in der Kehle kitzelt. Und es tut gut, in der Sonne, am glitzernden Fluss entlangzugehen, und einfach kurz mal richtig traurig zu sein. Ein bisschen Wut ist da auch irgendwo, aber zum grössten Teil ist da doch das Gefühl, nichts tun zu können.
Das ganze ist so weit weg, und doch so nah.
Es geht nicht lange, bis ich mich in den grossen philosophischen Fragen verliere:
„Sollte unser Lebensziel eigentlich nicht Traurigkeit statt Glück sein? – wäre viel einfacher. Zum traurig sein, findet sich immer was.“
Oder reicht „Zufriedenheit“?
Im Frieden sein, mit sich, der Welt.
Aber bei so viel Unfrieden, den man verhindern könnte, scheint das auch nicht sie ultimative Lösung zu sein.
Ich überlasse es lieber schlaueren Leuten, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Wir sind noch bei meinem Emotionen.
Und bei der Sojamilch.
Die wollte ich auf dem Spaziergang ja auch noch einkaufen.
Nur noch 1 Tüte da. Ich wollte eigentlich den Vorrat auffüllen.
Sich jetzt aber da drüber zu ärgern, kommt mir nach meinem Spaziergang aber doch kleinlich vor.
Also tue ich es nicht. Und spaziere mit der einen Sojamilchtüte nach Hause.
Nicht 5 Zentimeter über dem Boden vor Freude. Sondern mit beiden Füssen auf dem Boden, und Emotionen die sich irgendwie geerdeter anfühlen.
Dieser Text ist am 8.Oktober 2023 entstanden.
Ich dachte, ihn zum Jahrestag von den schrecklichen Ereignissen am 7.Oktober zu veröffentlichen passt ganz gut. Aber da er auch auf andere Erlebnisse gelesen werden kann, ist er auch ein Jahr später noch aktuell.
Lea Zeiske