Der Liebe Geist

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Auf Erden gehest du
und bist der Erde Geist;
Die Erd erkennt dich nicht,
die dich mit Strahlen preist.

Auf Sonnen stehest du
und bist der Sonne Geist;
Die Sonn erkennt dich nicht,
die dich mit Strahlen preist.

Im Winde wehest du
und bist der Lüfte Geist;
Die Luft erkennt dich nicht,
die dich mit Atmen preist.

Auf Wassern gehest du
und bist der Wassers Geist;
Dass Wasser kennt dich nicht,
das dich mit Rauschen preist.

Im Herzen stehest du
und bist der Liebe Geist;
Und dich erkennt das Herz,
das dich mit Liebe preist.

Der Autor dieser Verse Friedrich Rückert (1788 – 1866) galt zeitlebens als Sprachgenie. Deshalb passt sein Gedicht auch gut zu Pfingsten, dem Fest, an dem die Kirche das Kommen des Heiligen Geistes zu den Jüngerinnen und Jünger Jesu feiert. Dessen Wirkung war nämlich ebenso spektakulär wie begeisternd: es wird berichtet, dass die zuvor noch von Angst und Trauer gelähmten Menschen sofort begannen, die Gute Nachricht von der Auferstehung des Christus zu verkünden – und das in den verschiedensten Sprachen! Ja, der Heilige Geist verleiht Menschen vorher ungenutzte Kräfte und setzt bisher unentdeckte Talente frei. Ja, Gott selbst bricht innere Schranken auf und überwindet äussere Grenzen.

Der Dichter lenkt aber unsere Aufmerksamkeit auf einen weiteren Aspekt des Wirkens des Heiligen Geistes: in den letzten Wochen war die Kraft Gottes als Liebe zueinander eindrücklich zu spüren. Sie hat Menschen unspektakulär, und deshalb umso wertvoller, untereinander verbunden. Sie hat Menschen behutsam, und deshalb umso bestärkender, auf dem Weg zu einer neuen Normalität unterstützt. Sie hat Menschen zuversichtlich, und deshalb umso liebevoller, geöffnet für eine hoffentlich begeisterte Zukunft.

So wünsche ich Ihnen und uns allen ein inspirierendes und tröstliches Pfingstfest. Seien Sie begeistert und behütet! (hc)