
In meiner Agenda steht heute eine Notiz ohne Uhrzeit: «Keller aufräumen – alte Skier und Schuhe entsorgen.» Zu lange haben Estrich und Keller keinen aktiven Besen mehr gesehen. Frühlingsputz ist angesagt. Meister Proper soll es richten. Was werfe ich weg? Was brauche ich noch? Wovon trenne ich mich? Was behalte ich?
Zum Thema las ich die folgende Geschichte: «Eines schönen Morgens glitt vom hohen Baum am festen Faden die Spinne herab. Unten im Gebüsch baute sie ihr Netz, das sie im Laufe des Tages immer grossartiger entwickelte und mit dem sie reiche Beute fing. Als es Abend geworden war, lief sie ihr Netz noch einmal ab, um es auszubessern. Da entdeckte sie auch wieder den Faden nach oben, an dem sie heruntergestiegen war. Sie hatte ihn in ihrer betriebsamen Geschäftigkeit ganz vergessen. Da sie schlecht gelaunt war und auch nicht mehr wusste, wozu er diente, hielt sie ihn für überflüssig und biss ihn kurzerhand durch. Sofort fiel das Netz mit ihr in die Tiefe, wickelte sich um sie wie ein nasser Lappen und erstickte sie.»
Vermutlich will die Parabel weniger das Urteilsvermögen von Spinnen in Zweifel ziehen als jenes der Menschen. Als Menschen sind wir latent gefährdet, den Ast abzusägen auf dem wir sitzen und damit den einen Faden zu kappen, der uns am Leben erhält. Die Verbindung nach oben: zum Schöpfer, zur Schöpfung, zur Quelle des Lebens.
Ein 80-jähriger Senior dankte in seiner Geburtstagsrede dem Leben. Er zeigte eine Zinnkanne und öffnete den Deckel. «Ganz egal, was kommt», sagte er «dieser Deckel nach oben soll offenbleiben. Auch im Alter. Von dieser Verbindung leben wir.»
Heinz Käser