Schätze suchen und finden

Foto: Andreas Stix/pixelio.de

«I bi ne Ämmitaler …», heisst es im Lied. Ich bin es auch. Nicht nur im Lied. Ob ich dessen stolz bin, weiss ich nicht. Im Alter von vier Jahren musste ich Abschied nehmen von der lieben Heimat und wurde mit der Familie ins Berner Seeland verpflanzt . Fortan verbrachte ich meine Ferien im Emmental auf dem Bauernhof der Grosseltern. Grossmutter inspirierte mich mit ihren Geschichten.

Ich war ca. sieben Jahre alt, als sie mir erzählte, dass im Emmental etliche Bauern während der Kriegsjahre aus Angst vor dem nahenden Feind ihr Erspartes im Wald oder unter einem Baum vergruben. Nicht ohne zu vermerken, dass viele nach Kriegsende ihr Geld trotz intensiver Suche nie mehr gefunden hätten. Dank dieser Geschichte ging ich fortan als «Schatzsucher» durchs Leben und verbrachte meine Ferien noch häufiger im Emmental.

Trotz Ackern und Graben habe ich nie Bares gefunden. Dennoch: das gute Verhältnis zur Herkunft ist ein Schatz wert. Grossmutters Geschichten sind es auch – insbesondere ihre Inspiration, dass es im Leben mehr zu entdecken gibt als nur im sichtbaren Bereich.  So verstehe ich die Himmelreichsgeschichten von Jesus, wenn er das Motiv des Schätzefindens aufgreift und uns damit zu eigenen Entdeckungen ermutigt:

«Das Himmelreich ist wie ein verborgener Schatz, den ein Mensch in einem Acker entdeckte und wieder vergrub. In seiner Freude verkaufte er sein gesamtes Hab und Gut und kaufte dafür den Acker mit dem Schatz.»  (Matthäus 13,44)

(hk)

Schwarz – Weiss

Foto: Eva Steiner

Diese Zeit ist für alle Menschen schwierig.
Das höre ich hie und da. Leider ist sie für diejenigen, die sowieso schon belastet sind noch schwieriger.

Dass dabei die Hautfarbe immer noch eine Rolle spielt, beschäftigt mich. Besonders deutlich wird dies dieser Tage in den USA. Dass gewaltätige Polizisten und der Präsident noch Öl ins Feuer giessen, finde ich schlimm.

Es ist wichtig, öffentlich dafür ein zu stehen, dass alle Menschen gleichwertig sind. Jemand hat geschrieben, dass der amerikanische Präsident anstatt mit der Bibel zu posieren, diese besser einmal öffnen und darin lesen sollte. Ich wünschte mir, dass er dann den Galaterbrief aufschlagen würde: „Es spielt keine Rolle mehr, ob ihr Juden seid oder Griechen, unfreie Diener oder freie Menschen, Männer oder Frauen. Denn durch eure Verbindung mit Christus Jesus seid ihr alle wie ein Mensch geworden.“ Es darf auch keine Rolle mehr spielen, ob wir eine dunkle oder eine helle Hautfarbe haben. (es)

Der Liebe Geist

Foto: Pixabay

Auf Erden gehest du
und bist der Erde Geist;
Die Erd erkennt dich nicht,
die dich mit Strahlen preist.

Auf Sonnen stehest du
und bist der Sonne Geist;
Die Sonn erkennt dich nicht,
die dich mit Strahlen preist.

Im Winde wehest du
und bist der Lüfte Geist;
Die Luft erkennt dich nicht,
die dich mit Atmen preist.

Auf Wassern gehest du
und bist der Wassers Geist;
Dass Wasser kennt dich nicht,
das dich mit Rauschen preist.

Im Herzen stehest du
und bist der Liebe Geist;
Und dich erkennt das Herz,
das dich mit Liebe preist.

Der Autor dieser Verse Friedrich Rückert (1788 – 1866) galt zeitlebens als Sprachgenie. Deshalb passt sein Gedicht auch gut zu Pfingsten, dem Fest, an dem die Kirche das Kommen des Heiligen Geistes zu den Jüngerinnen und Jünger Jesu feiert. Dessen Wirkung war nämlich ebenso spektakulär wie begeisternd: es wird berichtet, dass die zuvor noch von Angst und Trauer gelähmten Menschen sofort begannen, die Gute Nachricht von der Auferstehung des Christus zu verkünden – und das in den verschiedensten Sprachen! Ja, der Heilige Geist verleiht Menschen vorher ungenutzte Kräfte und setzt bisher unentdeckte Talente frei. Ja, Gott selbst bricht innere Schranken auf und überwindet äussere Grenzen.

Der Dichter lenkt aber unsere Aufmerksamkeit auf einen weiteren Aspekt des Wirkens des Heiligen Geistes: in den letzten Wochen war die Kraft Gottes als Liebe zueinander eindrücklich zu spüren. Sie hat Menschen unspektakulär, und deshalb umso wertvoller, untereinander verbunden. Sie hat Menschen behutsam, und deshalb umso bestärkender, auf dem Weg zu einer neuen Normalität unterstützt. Sie hat Menschen zuversichtlich, und deshalb umso liebevoller, geöffnet für eine hoffentlich begeisterte Zukunft.

So wünsche ich Ihnen und uns allen ein inspirierendes und tröstliches Pfingstfest. Seien Sie begeistert und behütet! (hc)



Begeisterungsstürme schon vor Pfingsten

Foto: Christine Sieber

An Pfingsten wieder Gottesdienst in der Kirche feiern? Falls es klappt, freue ich mich unbändig! Endlich wieder zusammen feiern! Aber wie wird es sein? Ohne Gesang? Mit viel Abstand? Wird da ein Gemeinschaftsgefühl aufkommen?

In den Tagen des Lockdown haben wir viel Gemeinschaft erlebt, viele positive Echos erhalten auf unsere Bemühungen, mit den Menschen der Kirchgemeinde in Kontakt zu bleiben. Wie wird Kirche in Zukunft aussehen? Werden wir digitale Angebote weiterführen? Noch sind viele Fragen offen, noch ist die Corona-Krise nicht ausgestanden. Aber es gibt Licht am Horizont. Lassen wir zu, dass sich unsere Gedanken hoffnungsvoll in die Luft schwingen, zu neuen Horizonten! Lasst uns nicht einfach zurückkehren zum Alten, sondern auch Neues mitnehmen! Und lassen wir die Geistkraft Gottes schon jetzt wirken, damit wir nicht abstürzen, sondern mit Bette Midler singen können: «You are the wind beneath my wings» – du bist der Wind unter meinen Flügeln.

cs

„Neustart“

Schulanlage Steindler, Foto: Eva Steiner

Ich bin froh, dass die Schule wieder beginnt! Obwohl es Eltern gibt, die ihre Sprösslinge gerne selber unterrichten, ist es für die meisten keine einfache Aufgabe. Zudem gibt es Eltern, die arbeiten müssen und am Abend müde noch mit vielleicht unmotivierten Kindern hinter die Schule zu sitzen, ist eine Überforderung. Fremdsprachige Familien haben es besonders schwer. 

Aber die ungleichen Lernchancen sind das eine, das andere ist die fehlende Gemeinschaft. Zudem  ist die Schule ein Lernfeld, um auf gute Art miteinander umzugehen. „Wohl dem Menschen, der Weisheit gefunden, der Einsicht gewonnen hat. Denn sie zu erwerben ist besser als Silber, sie zu gewinnen ist besser als Gold.” Dieser Spruch steht in der Bibel, im Buch der Sprichwörter. Ich behaupte, dass in der Schule neben der Familie und dem Freundeskreis der Anfang gelegt wird für spätere Weisheit. Neben Wissen vermittelt die Schule Lebenserfahrung. Viel positive, manchmal auch schwierige, an der wir hoffentlich wachsen können. Ich wünsche allen jungen Menschen einen guten Neustart in der Schule und natürlich auch in der kirchlichen Unterweisung. (es)

„Des Tages Jammer“

Foto: Pixabay

Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweigt,
und aus den Wiesen steiget
der weisse Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold
als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.

Reformiertes Gesangbuch Nr. 599

„Grossmueti, was isch „des Tages Jammer“?“ tönt leise die Stimme eines vierjährigen Mädchens beim Zubettgehen im Familienskilager. Ja, ein Liedtext, der vor über 250 Jahren gedichtet wurde, ist Kindern heute fast so unverständlich als wäre er in einer Fremdsprache verfasst.

Dafür sind die Gedanken und Gefühle, die in der altbekannt tröstlichen Melodie zum Ausdruck kommen, auch heutigen kleinen (und GROSSEN!) Menschen wohl vertraut. Ja, was ist „des Tages Jammer“? Wir alle leben doch mit kleinen (und GROSSEN!) Sorgen, mit Lasten, die unseren Alltag beschweren, mit Ängsten, die wir mit uns herumtragen. Jetzt mehr denn je. Manche wissen, andere spüren so zum Beispiel in diesen Vollmondtagen instinktiv, dass die Schöpfung uns noch lange nicht alle ihre teils auch fürchterliche Geheimnisse preisgegeben hat. Jetzt mehr denn je!

Auch der Trost, der uns gemäss dem Lied das Gebet oder ein Spaziergang bei Mondschein zukommen lassen kann, ist eine zeitlose Botschaft: So endet das Lied mit der Bitte, dass wir doch ruhig schlafen mögen „und unsern kranken Nachbarn auch.“

In diesem Sinne: gute Nacht! Seien Sie behütet. (hc)

Zweifler willkommen!

Bildlegende:
Thomas, der Jünger.
Im Münster von Freiburg i.Br.

Ostern ging an ihm völlig vorbei. Während die einen riefen: «Christus ist auferstanden …!», und die anderen bekannten: «… er ist wahrhaftig auferstanden!», blieb er stumm. Der Jünger Thomas war nicht bereit nachzuplappern, was andere glaubten und erlebt hatten. «Bevor ich so etwas Unglaubliches glauben werde, brauche ich selber eine Begegnung mit dem Auferstandenen. Ich werde nur glauben, wenn ich ihn selber sehe.» Damit konnte Thomas in der Kirchengeschichte keine Lorbeeren ernten. Fortan wurde ihm ein unschöner «Schlämperlig» angehängt: «Thomas der Zweifler».

Und dann sah ich ihn 2000 Jahre später, den Mann mit dem «Schlämperlig». Im Münster von Freiburg in Breisgau steht er prominent an vorderster Front. Vom Eingangsbereich bis zum Altar wurden im Mittelgang meterhoch die Jünger Jesu als sogenannte Säulenapostel platziert. Ganz zuvorderst steht Jesus. Und ihm gegenüber hat es nur Platz für einen Jünger. Und dort steht nicht etwa Simon Petrus als Sprecher der Jüngergruppe oder Johannes, der Lieblingsjünger von Jesus. Gegenüber von Jesus steht Thomas. Im linken Arm hält Thomas die geschlossene Bibel. Zaghaft streckt er den rechten Arm aus und möchte Jesus berühren.

Was die Baumeister des Freiburger Münsters sagen wollen, liegt auf der Hand: Bei Gott sind wir willkommen – mit unseren Zweifeln. (hk)

Madonna della Corona

Foto: Frisia Orientalis, Wikipedia.org

Es ist kein Witz, diese Kirche gibt es wirklich! «Angeklebt» an den Fels oberhalb des Gardasees, besteht sie seit 500 Jahren. Zuerst war dort nur eine Einsiedelei, später begann der Malteserorden mit dem Bau der Kirche. Als die Türken Rhodos besetzten, erschien an der Felswand oberhalb der Kirche ein Bild, das Maria mit dem toten Christus im Schoss zeigte. Die Bergkette oberhalb der Kirche sieht ein bisschen aus wie eine Krone, weshalb man die Kirche «Madonna della Corona» nannte.

Besondere Zeiten hatten schon immer ihre eigenen Geschichten. Die Geschichten der Corona-Krise werden heute vor allem im Internet geschrieben und über soziale Plattformen geteilt, sie erscheinen nicht mehr an Felswänden. Doch was immer noch gilt ist der Bibelvers: «Mein Fels und mein Schutz bist du allein, Ewige.» (Psalm 31,4)

(cs)

Ostern von Jacqueline Keune

Wir sind da,
Gott,
um zu sagen,
was nicht zu verstehen ist:
Aus einem Ende wurde ein Neuanfang.

Wir sind da,
um zu singen,
was nicht zu fassen ist:
Das Leben hat den Tod eingeholt.

Du machst gut,
was nicht mehr gut zu machen ist.
Darum lass und hoffen –
auf mehr
als die eigene Kraft.
Darum lass uns glauben –
an mehr
als den Augenschein.
Darum lass aufstehen uns
und miteinander und füreinander
das Leben erstreiten und erwarten.

«In mir ist es finster, aber bei Dir ist das Licht.»

Diesen Zweizeiler habe ich vor 30 Jahren erstmals auf einem Messing-Gedenkschild in einer deutschen Bahnhofshalle entdeckt. In mir ist es finster – eine urmenschliche Erfahrung. Unsere Kräfte sind begrenzt, und die inneren Batterien verbrauchen sich. Die Seele reagiert wetterwendisch: Zuerst wird es trüb, dann neblig, auf einmal ist es finster. ABER bei Dir ist das Licht. Die zweite Verszeile bietet Hilfe. Da klingt jene wohltuende Realität an, dass jemand da ist – für uns da ist – dem Lebensatem und -kräfte nicht schwinden. Verbunden sind wir mit ihm durch ein trautes DU: «… aber bei DIR ist das Licht.»

Der Zweizeiler stammt aus einem Gebet von Dietrich Bonhoeffer. Evangelischer Theologe, der den Widerstand gegen das Naziregime kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges mit seinem Leben bezahlte.

In mir ist es finster,
aber bei Dir ist das Licht;
ich bin einsam,
aber Du verlässt mich nicht;
ich bin kleinmütig,
aber bei Dir ist die Hilfe;
ich bin unruhig,
aber bei Dir ist der Friede;
in mir ist Bitterkeit,
aber bei Dir ist die Geduld;
ich verstehe Deine Wege nicht,
aber Du weisst den Weg für mich.

(Dietrich Bonhoeffer, 1906–1945)