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Boxkampf mit Gott

Bild: Iván Tamás, Pixabay

Kürzlich habe ich einen Artikel mit diesem Titel gelesen. Der Autor Georg Magirius, ein Theologe aus Deutschland meinte, er ertrage keine frommen Sprüche mehr in der Krise. Viel lieber seien ihm die Psalmen mit ihrer eindrücklich bildlichen Sprache: «Reiss mich aus dem Morast heraus, dass ich nicht versinke» «mein Hals ist heiser vom Rufen, befreie mich, Gott!» «Meine Augen sind matt geworden vom Warten auf DICH.»

Ich habe mich dabei ertappt, dass ich oft so fromme Sprüche klopfe wie: «sich an den kleinen Wundern des Alltags freuen.» Zum Beispiel jetzt die aufblühenden Frühlingsblumen. Ich meine es ernst, es ist nicht nur so dahergeredet, es hilft ganz viel, wenn es einem gelingt. Aber es gelingt nicht immer – und dann?

Gott darf man den ganzen Frust vor die Füsse schmeissen. Er erträgt es. Und uns erleichtert es. «Giess deinen Zorn über meine Feinde aus!»

Die allermeisten Psalmen tauchen nach ihren Hasstiraden gegen Feinde und nach ihren verzweifelten Rufen nach Gott, der abwesend scheint, wieder auf aus dem Schlamassel, sie finden zum Lob. Dieses wird möglich, weil sie vorher Dampf abgelassen haben. «Ich will deinen Namen loben, die Lebendige hört auf die Armen.»

Wenn wir also einen Boxkampf austragen wollen, dann mit Gott, nicht mit unseren Nächsten. Die Ewige wird uns erleichtern, so dass wir danach wieder aus ganzem Herzen loben können.

(Ausschnitte aus Psalm 69)

Christine Sieber

„Somewhere over the Rainbow“ oder: Ännet em Rägeboge

Letzte Woche hatte unsere Tochter Geburtstag. Wenn man fünf Jahre alt wird, bleibt am Geburtstag einen Moment die Welt stehen, wir Erwachsenen haben das nur vergessen! Wie dem auch sei, als Geschenk für dieses monumentale Ereignis wünschte sie sich ein Einhorn, mit der vermeintlich einfachen Erklärung, es könne ja dann bei uns im Schlossgarten leben…

Auf der etwas verzweifelten Suche, wie dieser Wunsch auch nur annähernd in Erfüllung gebracht werden könnte, ohne den Kirchgemeinderat zu verärgern, stolperte ich im Internet über eine ganze Fülle dieser Fabelwesen: auf T-Shirts, Trinkbechern, Turnsäckchen. Die hatten eins gemeinsam: sie waren allesamt weiss mit Regenbogenmähne, eins farbiger als das nächste, eins glitzeriger als das nächste!

Die Einhörner liess ich deshalb rasch zurück in ihrer virtuellen Heimat von Kommerz und Kitsch, aber eine Frage liess mich nicht mehr los:

Wie war das nochmals mit dem Regenbogen? In der Natur empfinden wir sie doch nie negativ, sondern begrüssen sie als ein Wunder des Himmels. Bei Fotografien, Gemälde und eben Einhörnern sieht das nach meinem Geschmack schon ganz anders aus… 

Da stiess ich auf ein Bild, das mich sehr passend dünkt für diese Zeit, die doch auch immer wieder schwer auf uns lastet. Es wurde vor ziemlich genau 200 Jahren gemalt von Joseph Mallord William Turner und befindet sich im Besitz der Tate Gallery in London.
Turner hat zeitlebens viele Regenbogen gemalt, einige davon sind auch sehr naturgetreu.

Dieser nicht!
Ein Himmel, grau-blau, ein Boden, grau-braun, darüber ein Bogen, grau-weiss.
Verwischt, blass, diffus und gleichzeitig unverkennbar.
Es fehlt die Farbe, es fehlt die Sonne, es fehlt das Licht, und trotzdem ist alles da.
Das Gemälde ist signiert, es ist also komplett.

Turners Regenbogen ist nicht naturgetreu, aber man könnte vielleicht sagen, er ist bibelgetreu! Im ersten Buch Mose findet man nämlich diese Worte Gottes zu Noah:
»Ich setze meinen Bogen in die Wolken.
Er soll das Zeichen sein
für den Bund zwischen mir und der Erde.
Wenn ich Wolken über der Erde aufziehen lasse,
erscheint der Bogen am Himmel.
Dann denke ich an meinen Bund mit euch
und mit allen Lebewesen.
Nie wieder soll das Wasser zur Sintflut werden,
um alles Leben zu vernichten.« (1. Mose 9, 13-15)

Gott verspricht Noah und uns allen also gerade nicht, als Zeichen des Bundes und der Treue eine Farbenpracht strahlen zu lassen, sondern nur, ab und zu einen Bogen in die Wolken zu setzen. 

Mich dünkt, dieses biblische Bild und das Gemälde, das vielleicht davon inspiriert wurde, ist voller Trost und Zuversicht für uns in diesem langen Winter. Die ausgegrauten Farben verwischen nicht die Eintönigkeit unserer Einsamkeit, die diffusen Konturen nehmen ernst das Fehlen von Freude und Kontakten.

Und trotzdem: da steht ganz eindeutig ein Regenbogen und damit das Versprechen Gottes, dass die Sonne wieder scheinen wird, dass die Unbeschwertheit wieder einziehen werden darf, dass Gott selbst uns nicht fallen lässt, sondern ins Licht führt. Vielleicht ist dieses Zeichen nur schlecht zu sehen, vielleicht blitzt es nur ab und zu auf am Horizont, doch es weist sonnenklar auf die Verheissung dahinter:

Gott ist bei uns,
jenseits von Kitsch und Kommerz,
jenseits aller Regenbogen.
Gott lässt uns nicht im Stich
und schon gar nicht im Regen stehen!
Amen

Henriette Cann-Guthauser

Bildlegende:
Joseph Mallord William Turner, The Rainbow (c. 1820)  (c) Tate Gallery London Image released under CC-BY-NC-ND 3.0 (Unported):
https://www.tate.org.uk/art/artworks/turner-the-rainbow-d17182

Danke!

Patchwork: Margrit Schlegel, Foto: Eva Steiner

Gerne möchte ich mich einmal bedan­ken für die vielen positiven Rückmel­dun­gen, die wir auf unsere Angebote erhalten. Es tut gut, zu hören, dass sie euch gefallen. Ausserdem danke ich auch vielmals, dass ihr euch so eifrig beteiligt. Wir haben bisher schon 135 Broschüren des Winterwettbewerbs gedruckt und für das Bild des Frauentreffs 60+ habe ich gegen 20 wunderschöne Quadrate erhalten. So sind wir auch in dieser Zeit gemeinsam unterwegs!    

Eva Steiner

Vorgeschmack

Es ist eingetreten, was wir über Monate zu verhindern suchten: Wir sind als Familie über die Festtage an Covid-19 erkrankt. Die grippalen Verläufe waren anstrengend, aber Schlimmeres ist Gott sei Dank nicht eingetreten.

Schön war’s, nach Krankheit und Isolation gesund mit der Arbeit zu beginnen. Noch schöner: Mitte Januar konnten wir uns zu einer kleinen Feier treffen. Fünf Leute, die die Krankheit kürzlich überstanden haben. Fühlte sich gut an: ein unbeschwertes Zusammensein mit dankbaren Begegnungen als Vorgeschmack für bessere Zeiten.

«Wir werden sein wie die Träumenden …», so blickt der Psalmist in schwieriger Zeit in die Zukunft. Auch wir werden sein wie die Träumenden, wenn dieser «Albtraum Covid-19» endlich überwunden sein wird. «Überwunden sein wird …», die deutsche Zeitform der vollendeten Zukunft wird als «Futur II» bezeichnet. Hoffen und träumen dürfen wir jetzt schon – im Präsens. Schön, wenn uns da oder dort ein Vorgeschmack erreicht.

Heinz Käser

Der Blick auf die anderen

Haben Sie sich schon mal selbst gegoogelt? Im Zeitalter von Social Media ist der Blick auf die andern einfach: ein Klick, eine Eingabe in der Suchmaschine, und meistens erhalten wir viele Informationen zu der gesuchten Person. Oft beurteilen wir diese Person dann aufgrund ihrer Posts. Jesus stellt in der Bergpredigt etwas ins Zentrum, das heute veraltet klingt: «Seid barmherzig, so wie euer Vater barmherzig ist» (Lukas 6,36). Das ist die Jahreslosung fürs 2021. «Barmherzigkeit» ist ein altes Wort, es wird fast nur noch in den Kirchen benutzt. Eine modernere Umschreibung könnte sein: Mitgefühl. Es ist eine gute Übung, die Mitmenschen nicht beurteilend anzusehen, sondern barmherzig. Man lernt sie ganz anders kennen.

1.1.2021 / cs

Adventsalphabet

Foto: Henriette Cann-Guthauser

Chumm Du, guete Gott,
chumm Du a Arbeitsplatz und i d Asylunterkunft,
i d Behinderetewärchstatt und i ds Bundesratszimmer,
a ds Chrankebett und a Chuchitisch,
i d Disco und a d Diskussionsrundi
zum Ehrenamt und a ds freiwillige Engagement,
zu der Füürwehr und uf e Friedhof.

Chumm Du, guete Gott,
chumm Du i ds Gastgwärb und zum Gipfelträffe, 
i Hobbyruum und i d Heilpraxis
uf d Intensivstation und i ds Integrationsprojekt,
i d Jugendarbeit und i ds Junioretraining,
zur Kurzarbeit und i d Kulturszene, 
a Ladetisch und i ds Labor,
uf e Märitstand und i ds Probelokal vo dr Musig.

Chumm Du, guete Gott,
chumm Du zur Obdachlosenotschlafstell und zum Oratorienchor,
i d Patchworkfamilie und i ds Pflegeheim,
zu dene i Quarantäne u Mönsche mit queerer Identität,
a d Risikoabwägig und i ds Radiostudio,
zum Skilift und i ds Schuelzimmer.

Chumm Du, guete Gott,
chumm Du a Therapieplatz und uf ds Tourismusbüro, 
a d Universität und a d Unfallstell, 
zu der Vorfröid und i Verchehr,
a Wiehnachtsbazar und i d Wärchstatt,
i d Xundheitsbbrüef und äXtra Schichte,
zum Yogakurs und i d Ysatzzentrale,
i ds Zugabteil und Zytigsredaktione.

Chumm Du, guete Gott,
chumm Du zu üs und zu allne,
wo mitenand und mit Dir wei zäme si.

Amen

(HCG)

Der tiefe Brunnen

Bild: Pixabay

Zermürbend ist es, immer wieder von Corona zu lesen, zu hören, Konzepte anzupassen und immer wieder neu verunsichert zu werden, was wirklich schützt und was nicht. Wir versuchen unser Bestes, um einen gangbaren Weg zwischen Sicherheit und Lebensfreude zu gehen. Wenn ich leer und ausgelaugt bin, hilft mir immer wieder die Vorstellung eines tiefen Brunnens. Damit wünsche ich uns allen viel Kraft in komplizierten Zeiten:

Gott ist die Quelle des Lebens
ich steige hinab in den tiefen Brunnen, auf dessen Grund klares, gutes Wasser sprudelt.
Von dieser Quelle kann ich trinken
und da sein, ganz bei Gott.

Gott segne unseren Tag!
Amen

(cs)

Ferienzeit – Hängemattenzeit

Foto: Eva Steiner

Immer und überall wird gesagt, wie wichtig das Nichtstun ist. Ich tue mich schwer damit. Mir kommt dabei ständig etwas in den Sinn, was ich noch schnell erledigen sollte.

Dabei glaube ich auch, dass es gut tut. Einfach in die Hängematte liegen, den Wolken zuschauen und die Gedanken schweifen lassen – über Gott und die Welt. Vielleicht gelingt es sogar, nicht mehr allzu viel zu denken. Dazu haben wir jetzt die Möglichkeit. Und für diejenigen, die keine Ferien haben: Nichts tun ist auch am Wochenende oder nach der Arbeit möglich. Wir müssen uns einfach Zeit dafür gönnen!

Auch der Blog verabschiedet sich jetzt in die Ferienzeit. Wir melden uns wieder zum Schuljahresbeginn und wünschen Ihnen allen alles Gute und Gottes Segen.  (es)

Die rote Büroklammer

Foto: Heinz Käser

Ein arbeitsloser Kanadier hat im Internet eine rote Büroklammer zum Tausch angeboten. Er tauschte sie gegen einen fischförmigen Stift und schrieb den erworbenen Stift zum nächsten Tausch aus. Ein Jahr und 14 Tauschgeschäfte später konnte er ein frisch renoviertes Haus erwerben. Diese unglaubliche Tauschaktion hat der Blogger Kyle MacDonald  in seinem Buch «One Red Paper Clip» niedergeschrieben, das unter diesem Titel auch deutsch erschienen ist. Heute wohnt MacDonald mit seiner Freundin in jenem Haus, das ihm die 14. Tauschaktion einbrachte. Was für ein Glückspilz!

Weit weniger erfolgreich scheint im Märchen der Gebrüder Grimm «Hans im Glück» zu tauschen. In fünf Tauschgeschäften veräussert er einen Goldklumpen zu einem wertlosen Schleif- und Feldstein. Trotzdem bleibt Hans jederzeit im Glück. Nach dem fünften und letzten Tausch leuchten seine Augen vor Freude: «Ich muss in einer Glückshaut geboren sein», ruft er aus, «… alles, was ich wünsche, trifft mir ein wie einem Sonntagskind.» Hans ist auf dem Heimweg. Er läuft dem Glitzerstein Erfolg nicht mehr hinterher und hat er seine Seele nicht an den Reichtum verkauft. Deshalb wird er weder Gold noch Geld nach Hause bringen. Hans bringt sich selber heim – gesund und ganz, mit frohem Herzen.

Zwei Tauschgeschichten, die zwei Menschen auf unterschiedliche Weise ins Glück führen. Der Reformator Martin Luther umschreibt den Glauben mit einem «fröhlichen Tausch und Wechsel». Gott lädt uns ein zum fröhlichen Tauschen: Wir bringen Lasten und Mühen – Gott schenkt Frieden. «Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet. Ich werde euch Frieden geben.» (Matthäus 11,28)

Heinz Käser

PS: Die rote Büroklammer oben auf dem Bild würde ich zum Tausch anbieten. Sie sieht gewöhnlich aus, aber in ihr steckt das (Tausch-)Potential eines frisch renovierten Hauses. Wer macht ein Angebot …?

Vogelnest

Foto: Christine Sieber

Im Frühling hatte ich die Amsel emsig Nistmaterial sammeln sehen: feine Zweige, nasses, halb verfaultes Gras, Moos. Vor allem über das verfaulende Gras wunderte ich mich, es sah sehr unappetitlich aus. Daraus konnte doch unmöglich ein gutes Nest entstehen? Später sammelte die Amsel eifrig Würmer, noch später zeterte sie im Garten herum, als ihre Jungen flügge wurden und mehr schlecht als recht ihre ersten Flugversuche starteten. Beim Schneiden der Hecke habe ich dann das Nest gefunden: wunderschön gewoben aus dem gesammelten Material. Das halb verfaulte Material hatte als Fundament und «Mörtel» gedient. Ein Kunstwerk! Ich staune immer wieder, wie Vögel nur mit ihrem Schnabel solche Gebilde bauen können.

Die Natur hat eine perfekte Kreislauf-Wirtschaft: alles wird (wieder-)verwendet, aus unappetitlichem, fauligem Material wird der Mörtel, der das kunstvolle Nest zusammenhält. Die Amsel hat «Upcycling» betrieben, sie hat aus etwas scheinbar Wertlosem etwas Neues, Wunderbares gemacht. Das nächste Mal, wenn ich jemanden etwas tun sehe, das ich nicht verstehe, denke ich an die Amsel und das Vogelnest: aus etwas Unverständlichem, Unappetitlichem kann etwas Wunderschönes und Kunstvolles werden! (cs)